Das seit der Jahrtausendwende von Alan Greenspan erkennbar gepflegte Modell der Vollkaskopolitik durch die US-Zentralbank ist einmal mehr bestätigt worden.
Fed-Chef Jerome Powell unterfütterte die Markterwartung einer zeitnahen Zinssenkung. Die Fed sei bereit, angemessen zu handeln, um nachhaltiges Wachstum zu sichern, ließer verlauten. Die Handelskonflikte und in der Folge die geschwächte Weltwirtschaft belasteten den US-Konjunkturausblick. Die gedämpfte Inflation könne wider bisherigen Erwartens länger anhalten. Damit könnte sich die Inflationsschwäche als mehr als ein vorübergehendes Phänomen erweisen. Investitionen hätten sich merklich verlangsamt. Das Wirtschaftswachstum hätte ein mäßigeres Tempo angeschlagen.

Powell lieferte mit diesen vorab veröffentlichten Statements das, was der Markt hören wollte.

Zwischen den Zeilen stand:

1.     Pessimismus ist unangebracht.
2.     Verhaltener Optimismus ist opportun.
3.    Die ultimativste Vollkaskoversicherung der USA hat ihr Gesicht gezeigt.
An den Märkten gilt eine Zinssenkung Ende des Monats in der Konsequenz dieser Äußerung als ausgemachte Sache. Das mag eine sportliche Interpretation sein. Entscheidend ist, dass das Thema Zinssenkung auf der Menükarte in der Rubrik „sweet and soft“steht.


Märkte sind gerne oberflächlich:

Die Frage, ob man strukturelle Defizite in den USA und Folgen einer Handelspolitik, die den Standort USA quantitativ und qualitativ belasten, durch Zinsmaßnahmen neutralisieren kann, wird von den heutigen Märkten ignoriert. Die erste Wirkungsebene steht im Zentrum der Diskontierung.
Jeder, der bis drei zählen kann, weiß, dass man einen Beinbruch (Struktur) nicht mit Lippenstift heilen kann. Der Lippenstift kann fraglos unterhaltsam sein, mehr aber nicht!
Genau dieses Narrativ der Heilung von strukturellen und politischen Defiziten durch Finanzkosmetik wurde dem Markt gestern verkauft und der Markt hat es dankend angenommen. Neue Rekordstände im S&P 500 folgten auf dem Fuße.
Die Kraft des normativ Faktischen holt die Märkte ein. Es ist nicht die Frage des „ob“, sondern lediglich des „wann“!

Datenpotpourri:

Eurozone:                    
Italien: Die Industrieproduktion stieg per Mai um 0,9 % im Monatsvergleich (Prognose 0,1 %) nach -0,8 % im Vormonat. Im Jahresvergleich kam es zu einem Rückgang um 0,7 % nach -1,5 %.

USA:
Die Großhandelslagerbestände verzeichneten per Berichtsmonat Mai einen Anstieg um 0,4 % (Prognose 0,4 %). Der Absatz legte um 0,1 % (Prognose 0,0 %) zu.
Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Ein Unterschreiten der Unterstützungszone 1.1100 –30 negiert den positiven Bias des Euros.
Viel Erfolg!

Gastbeitrag von Christian Buntrock, Fondsmanager SOLVECON INVEST

www.solvecon-invest.de

Christian Buntrock (Jahrgang 1977) gründete mit ehemaligen BLB-Kollegen in 2017 die Fondsboutique SOLVECON INVEST GmbH in Bremen, bei der er Portfoliomanager, Prokurist und Gesellschafter ist.
Der studierte Diplomkaufmann und -Volkswirt, arbeitete zuvor als Portfoliomanager in der Bremer Landesbank, im Treasury Management und Research der Sparkasse Südholstein sowie als Wertpapierspezialist für die Commerzbank AG.