Zürich (awp) - Die Finanzmärkte präsentieren sich einmal mehr von ihrer volatilen Seite. Während in den letzten Tagen zumindest im frühen Handel immer noch mal Gewinne möglich waren, überwiegen am Donnerstag am Schweizer Aktienmarkt und auch europaweit die Verluste. Teilweise fallen sie auch wieder sehr deutlich aus. Das Zinsgespenst gehe wieder um, kommentiert ein Händler. So hätten Anleger die jüngsten Aussagen von Fed-Chef Jerome Powell einfach ignoriert. "Der oberste Währungshüter hat angekündigt, so lange die Zinsen zu erhöhen, bis die Inflation rückläufig ist - und gegebenenfalls noch aggressiver vorzugehen."

Ein weiterer Beobachter spricht von "Angsthandel". Nach dem im Wochenverlauf kurzzeitig aufgeflammten Optimismus liege der Fokus der Anleger nun wieder ganz auf den Folgen der anhaltend hohen Inflation. Öl ins Feuer haben vor allem in den USA die enttäuschenden Zahlen grosser Detailhändler gegossen. Nun gehe die Angst um, dass die Ausgaben der Konsumenten und Haushalte, die Leistungen der Unternehmen und ganz allgemein das Wachstum unter der anhalten hohen Teuerungsrate leiden. Darüber hinaus preise der Markt weiterhin eine weitere Straffung der Geldpolitik ein, was den Druck auf risikoreichere Anlagen erhöhe. "Die Barmittel werden von den Aktienmärkten in Anleihen umgeschichtet, da die Renditen sowohl in den USA als auch in Europa sinken, was den Zustand der Angst auf dem Markt unterstreicht", erklärt ein Händler.

Der SMI fällt gegen 11.05 Uhr um 2,62 Prozent auf 11'275,83 Punkte und damit den tiefsten Stand seit Anfang März. Der SLI, in dem die 30 wichtigsten Aktien enthalten sind, verliert 2,82 Prozent auf 1747,35 und der breite SPI 2,76 Prozent auf 14'448,74 Zähler.

Alle 30 SLI-Titel sacken zwischen 0,6 Prozent (Schindler) und 7,9 Prozent (Julius Bär) ab. Vor allem das Minus von 4,7 Prozent bei Nestlé belastet den Gesamtmarkt. Diese Abgaben allein stehen für knapp die Hälfte der verlorenen SMI-Punkte.

Ein negativer Bernstein-Kommentar lastet ebenso auf den Aktien des Nahrungsmittel-Giganten wie die schwachen Daten aus den USA. Es überrasche ihn angesichts der jüngsten US-Nachrichten nicht, dass zyklische Konsumgüter und Einzelhändler aktuell zu den schlechtesten Werten gehören.

Der "Angsthandel" lässt sich aktuell auch am Devisenmarkt ablesen. Sowohl zum US-Dollar als auch zum Euro macht der Franken am Donnerstagvormittag Boden gut. Das Euro/Franken-Paar weist bei Kursen unter 1,03 eine aktuelle Handelsspanne von einem Rappen zwischen Tageshoch und -tief auf. Dies gilt auch für das Dollar/Franken-Paar, das wieder unter der 0,98er Marke notiert, nachdem es am Dienstag noch jenseits der Parität gestanden hatte.

Die erhöhte Volatilität macht sich zudem beim VSMI bemerkbar. Der Volatilitätsindex zieht im Handelsverlauf deutlich an und gewinnt aktuell annähernd 15,9 Prozent auf 24,1 hinzu.

Dass die Aktien von Julius Bär mittlerweile die rote Laterne halten, ist dem Geschäfts-Update geschuldet. Der Vermögensverwalter legte einen durchwachsenen Zwischenbericht nach vier Monaten vor, der unterschiedlich kommentiert wird. Negativ überrascht hat der Netto-Neugeldabfluss.

Mit VAT, Straumann und Logitech sind denn auch einmal mehr Wachstumswerte unter den grössten Verlieren zu finden. Ihre Abgaben liegen zwischen 6,0 und 4,2 Prozent. Sie alle hatten bereits am Vortag zum Teil deutlich Federn gelassen.

Die beiden Pharmaschwergewichte Novartis (-1,2%) und Roche (-1,4%) fallen zwar etwas weniger stark als der Gesamtmarkt, dies bietet in der aktuellen Gemengelage aber kaum eine Stütze.

Sowohl unter den Blue Chip als auch in den hinteren Reihen werden weitere Zykliker aus den Depots geräumt. Adecco und Kühne+Nagel verlieren denn beide mehr als 4 Prozent. In der zweiten Reihe leiden Sulzer (-6,0%), Interroll oder auch Feintool (beide -4,8%). Bei Sulzer sorgen die Sanktionen der polnischen Regierung erneut für Negativ-Schlagzeilen.

Das Biotech-Unternehmen Evolva kann sich hingegen nach einem positiven Geschäftsupdate mit +7 Prozent gegen den allgemeinen Trend behaupten.

hr/rw