Zürich (awp) - Eine neue Virus-Variante hat am Schweizer Aktienmarkt zum Wochenschluss am "Black Friday" für einen Ausverkauf gesorgt. Auch in Europa erleben die Börsen ein kleines Erdbeben. "Helme auf und Köpfe einziehen", heisst es denn auch in einem Kommentar. Mitten in die grassierende vierte Infektionswelle in Europa platze eine Mutation, die auch die wochenlange Sorglosigkeit der Investoren krass zutage treten lasse.

Die neue Variante gelte als wesentlich aggressiver und es könnte zudem sein, dass sich die existierenden Impfstoffe hier als wirkungsloser erweisen als gegen die in Europa vorherrschende Delta-Variante, heisst es. Hinzu komme, dass die Börsen in Asien zwar ebenfalls bereits auf die Nachrichten reagieren konnten, in den USA dagegen wird die Wall Street nach dem gestrigen Feiertag zum Wochenschluss nur verkürzt geöffnet sein. Dies könnte die Ausschläge eher noch verstärken.

Der Schock macht sich aber nicht nur an den Aktienmärkten bemerkbar. Auch am Devisen- und Rohstoffmarkt kommt es zu ausgeprägten Bewegungen. Während der sichere Hafen "Schweizer Franken" gesucht ist, geben die Ölpreise kräftig nach. Die zu erwartenden Corona-Massnahmen dürften sich negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirken.

Der Leitindex SMI sackt gegen 11.10 Uhr um 1,52 Prozent ab auf 12'261,02 Punkte. Das bisherige Tagestief lag im frühen Handel bei 12'157 Punkten.

Der SLI, der die 30 wichtigsten Aktien umfasst, sinkt um 1,66 Prozent auf 1975,63 und der breite SPI um 1,42 Prozent auf 15'674,86 Zähler. Im SLI geben alle 30 Titel bis auf Lonza, Logitech und Kühne+Nagel nach.

Wie gross die Verunsicherung der Investoren ist, zeigt sich auch am Volatilitätsindex VSMI. Mittlerweile gewinnt er mehr als 30 Prozent hinzu und notiert aktuell so hoch wie letztmals im September, als unter anderem Inflations-Sorgen die Märkte verstärkt belastet hatten.

Unter den Gewinnern stechen Logitech (+2,1%) als Nutzniesser verschärfter Corona-Massnahmen wie etwa Home-Office positiv hervor. Lonza (Aktie +2,5%) wiederum produziert den Wirkstoff für den Moderna-Impfstoff.

Dass der SMI im Vergleich zu seinen europäischen Pendant vergleichsweise glimpflich davonkommt, liegt auch an den beiden Schwergewichten Nestlé (-0,9%) und Roche (-1,0%), die weniger stark als der Markt fallen. Noch weitere weniger konjunktursensible Titel wie Givaudan (unv.) oder auch Swisscom (-0,8%) fallen unterdurchschnittlich stark zurück.

Dem stehen Kursverluste von mehr als 4 Prozent bei Swatch und von 3,0 Prozent bei Richemont gegenüber. Der Verkauf von teuren Zeitmessern und Cartier-Juwelen ist stark von kaufkräftigen Touristen abhängig - insbesondere auch von jenen aus China. Und bis asiatische Touristen in die Shopping-Meilen von Paris, London oder New York zurückkehren, dürfte es noch länger dauern.

Mit den schwachen Finanzmärkten fliegen auch die Aktien zahlreicher Finanzwerte aus den Depots der Anleger: UBS sacken um 4 Prozent ab. Swiss Re, CS, Julius Bär, Zurich, Swiss Life und Partners Group folgen mit Abschlägen zwischen 2,0 und 3,6 Prozent.

Daneben geben auch die verschiedenen Vertreter der eher zyklischen Branchen überdurchschnittlich stark nach. Neben ABB, die um 3,6 Prozent fallen, machen die Konjunktursorgen auch Adecco (-2,2%) und Holcim (-1,9%) zu schaffen.

Es sind aber vor allem die Aktien aus der Luftfahrt- und Reisebranche in den hinteren Reihen, die regelrecht abstürzen. Flughafen Zürich brechen um 5,8 Prozent und der Reisedetailhändler Dufry gar um 9,3 Prozent ein. Beide Papiere hatten angesichts der geringen Reisetätigkeit 2020 massiv Terrain eingebüsst, sich seit der Entwicklung von Impfstoffen aber wieder nach oben bewegt.

Dagegen sind auch im breiten Markt mögliche Nutzniesser der Coronakrise gesucht. So springen die Anteilsscheine des Laborausrüsters Tecan (+4,9%) ebenso an wie die Papiere der Online-Apotheke Zur Rose (+4,2%) oder vom Pharmazulieferer Bachem (2,9%).

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