Zürich (awp) - Der Ausverkauf am Schweizer Aktienmarkt hat auch am Donnerstag keinen Halt gemacht. Das Coronavirus und die kaum absehbaren wirtschaftlichen Folgen für die Weltwirtschaft kommen immer mehr in den Köpfen der Investoren an. Die Nervosität ist laut Händlern phasenweis bereits in Panik umgeschlagen, was sich etwa auch in den extrem hohen Ausschlägen in kürzester Zeit manifestiert.

Nachdem die möglichen Auswirkungen des Coronavirus an den Aktienmärkten zuerst nicht sehr ernst genommen worden seien, sei nun das Gegenteil der Fall. "Das Szenario eines konjunkturellen Aufschwungs in diesem Jahr wird gerade still und heimlich in die Schublade zurückgelegt", meinte ein Händler. Die Märkte spielten wieder Rezessionsrisiken, die zuletzt eigentlich als überwunden gegolten hätten. Zudem werde man die Auswirkungen bald auch in den Unternehmensausblicken sehen. "Die Investoren bereiten sich jetzt auf einen Tsunami an Gewinnwarnungen vor", so der Händler.

Zum Handelsschluss verlor der SMI 2,92 Prozent auf 10'205,46 Punkte, dies bei extrem hohen Handelsvolumen. Wie bereits die letzten Tagen waren die Ausschläge enorm: Zwischen dem Tagestief (und gleichzeitig Jahrestief) eine Stunde vor Handelsschluss und dem Tageshoch am Anfang des Tages lagen mehr als 350 Punkte. Allein in der letzten Handelsstunde machte der Markt phasenweise wieder rund 150 Punkte gut.

Der SLI, in dem die 30 wichtigsten Werte enthalten sind, fiel zum Schluss um 3,21 Prozent auf 1'556,59 und der umfassende SPI um 2,85 Prozent auf 12'341,04 Zähler. Der Volatilitätsindex VSMI, auch als Angstbarometer bekannt, legte am Schluss um rund ein Fünftel auf gut 26 Zähler zu, was dem höchsten Stand seit Ende 2018/Anfang 2019 entspricht.

Zusammen mit dem Abschwung der letzten paar Tage ist bereits eine veritable Korrektur am Markt eingetreten. So hat der SMI doch vom Allzeithoch letzter Woche zum Tiefpunkt eine Stunde vor Handelsschluss bereits über 10 Prozent eingebüsst. Auf dem aktuellen Niveau notiert das wichtigste Schweizer Aktienbarometer gegenüber Ende 2019 knapp 4 Prozent im Minus bzw. auf dem tiefsten Stand seit Oktober.

Alle 30 Blue Chips lagen am Schluss klar im Minus. Am besten weg kamen LafargeHolcim (-0,6%), die im Tagesverlauf phasenweise sogar knapp im Plus tendierten. Der Baustoff-Hersteller hat mit seinem am Morgen präsentierten Ergebnis positiv überrascht und konnte sich daher dem starken Abwärtstrend der Börsen etwas entgegenstemmen.

Zu den grössten Verlierern gehören Technologietitel, konjunktursensitive Werte und Banken. Die beiden Grossbankentitel CS (-6,0%) und UBS (-5,3%), aber auch die Papiere der Privatbankengruppe Julius Bär (-4,5%) waren entsprechend am Schluss der Tabelle zu finden. Phasen mit schwachen Börsen sind für Banken grundsätzlich nicht gut. Zwar könnte die hohen Handelsvolumen anfänglich für etwas mehr Umsatz sorgen, ansonsten sei das sicher nicht gut, hiess es im Handel. Auch ein Konjunktureinbruch und möglicherweise erneut sinkende Zinsen würden das Geschäft belasten.

Auch hierzulande gibt es bereits Unternehmen, die mit möglichen Folgen wegen des Coronavirus rechnen. So erklärte der Logistikkonzern Kühne+Nagel (-4,7%), er gehe von einem negativen Einfluss aus. Das Unternehmen hat ausserdem Zahlen präsentiert und die Dividende gesenkt, was ebenfalls nicht gut ankam. Dies sei eine klar negative Überraschung.

Ansonsten waren es aber weniger konkrete Nachrichten, welche die Titel speziell beeinflussten, sondern vielmehr die Befürchtungen eines schnellen und scharfen Konjunktureinbruchs weltweit. Grosse Verluste mussten in diesem Zusammenhang etwa auch AMS (-5,7%), Temenos (-4,4%), Clariant (-4,4%) oder Swiss Life (-4,1%) hinnehmen.

Besser hielten sich zwar einige defensive Werte wie Novartis (-1,6%), Vifor (-1,7%) oder Alcon (-2,3%), wobei aber auch hier die Verluste recht gross waren.

Im breiten Markt lagen zum Schluss u.a. Leclanché (-9,1%), Calida (-7,0%) oder Idorsia (-6,9%) zuoberst auf der Verliererliste, auf der anderen Seite der Tabelle waren etwa Implenia (+5,2%), Hochdorf (+4,9%) oder Also (+3,0% nach Zahlen) zu finden. Diverse weitere Firmen legten Zahlen vor wie Kudelski (-4,1%), Sunrise (-3,8%), APG (-3,1%), BCV (-2,2%), Gurit (-1,1%) oder SPS (-0,7%).

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