Zürich (awp) - Der Schweizer Aktienmarkt hat am Donnerstag nach dem rekordhohen Zinsanstieg zur Inflationsbekämpfung in der Eurozone nur leicht im Minus geschlossen. Die oberste Währungshüterin Christine Lagarde hatte am Nachmittag unter anderem vor einer lange anhaltenden Inflation und einer schwachen Wirtschaftsentwicklung gewarnt, woraufhin sich die Märkte von ihrem bis dahin freundlichen Kurs verabschiedeten und zunächst klar in den roten Bereich abschlitterten.

Es sei "ein grosser Schritt für die EZB, ein kleiner Schritt gegen die Inflation", sagte ein Marktteilnehmer in einer ersten Reaktion. Die aussergewöhnlich hohe Leitzinsanhebung begrüsse er zwar, sie komme aber zu spät, so ein anderer. Doch die Erleichterung über den entschlossenen Kurs der EZB sorgte dann im Verlauf noch für eine Stimmungsaufhellung an den Märkten: "EZB-Chefin Christine Lagarde liess keinen Zweifel daran, auch auf der nächsten Sitzung weiter an der Zinsschraube nach oben drehen zu wollen", kommentierte ein Börsianer. Die EZB habe Entschlossenheit signalisiert wie noch selten zuvor, und dies sei am Markt gut angekommen.

Der SMI schloss denn auch nur 0,14 Prozent tiefer bei 10'790,32 Punkten, nachdem er zeitweise unter die Marke von 10'700 gefallen war. Der SLI, in dem die 30 wichtigsten Aktien enthalten sind und der stärker gekappt ist, legte hingegen um 0,08 Prozent auf 1648,86 Punkte zu. Der breite SPI schloss um 0,18 Prozent tiefer auf 13'845,53 Zähler. Am Ende standen sich im SLI 11 Verlierer und 19 Gewinner gegenüber. Ein ähnliches Muster zeigte sich auch beim deutschen Leitindex DAX, welcher nach dem kurzfristigen Einbruch mit -0,09 Prozent ebenfalls nur noch minim im Minus schloss.

Zu den offensichtlichsten Gewinnern des Zentralbanken-Kurses gehörten naturgemäss Banken und Finanzwerte, weil sie als zinssensitive Titel von der Erhöhung des Leitzinses profitieren. So ritten denn auch Titel wie Swiss Re (+2,3%), UBS (+1,9%), Julius Bär (+1,5%) und Credit Suisse (+1,3%) auf der Erfolgswelle der starken europäischen Banken.

Ebenfalls unter den Top-3 der Tabellenspitze fanden sich Temenos mit einem Plus von 1,5 Prozent. Am Vortag hatten wieder einmal Übernahmegerüchte zur Softwareschmiede die Runde gemacht.

Ein etwas uneinheitliches Bild zeigte sich bei konjunktursensitiven Titeln. Während Papiere, die zuletzt eher schwach waren, wie etwa Sika (+1,5%), Kühne+Nagel (+0,8%) oder Geberit (+0,2%) Gewinne verzeichnen konnten, gaben andere wie Holcim (-0,1%) nach.

Defensive Titel wie Alcon, Sonova, Straumann oder Lonza legten zwischen 0,04 und 1,0 Prozent zu. Bei den defensiven Schwergewichten Roche (+0,1%), Novartis (-0,3%) und Nestlé (-1,0%) war das Bild uneinheitlich, wobei Nestlé mit den überdurchschnittlichen Abgaben das negative Gesamtbild prägte.

Auch Technologietitel wie AMS Osram (-1,0%) und Logitech (-1,3%) schlossen im Minus.

Am unteren Ende der Tabelle lagen Richemont mit einem Minus von 2,9 Prozent. Sie litten laut Händlern unter den allgemeinen Konjunktursorgen. Hinzu kam eine Rating- und Kurszielsenkung durch Bernstein. Das Bankhaus sieht für die Schmuck-Nachfrage eine Normalisierung am Horizont. Auch Konkurrent Swatch (-0,8%) gehörte zu den grösseren Verlierern am Markt, konnte sich allerdings deutlich besser halten.

Auf den hinteren Rängen wurden Helvetia nach den Halbjahreszahlen mit einem Minus von 3,7 Prozent abgestraft. Der Versicherer hat im ersten Semester deutlichen Gegenwind gespürt an der Börse und dadurch weniger Gewinn verbucht.

tv/rw