Zürich (awp) - Die Schweizer Aktienbörse nimmt nach dem positiven Intermezzo vom Vortag am Donnerstag den Abwärtstrend wieder auf. Auslöser ist dieses Mal die Schweizerische Nationalbank (SNB), die nicht nur unerwartet, sondern mit einem Schritt um einen halben Prozentpunkt auch unerwartet stark die Zinsen erhöht hat. Damit habe niemand gerechnet, heisst es am Markt. Mehrheitlich gingen die Auguren davon aus, dass die SNB im September den Leitzins um 25 Basispunkte erhöhen würde. Bei vielen Analysten kommt die Zinserhöhung aber relativ gut an. "Je schneller es mit den Leitzinsen nach oben geht, desto besser sind die Inflationsgefahren unter Kontrolle zu bringen", sagte einer. Dennoch reagieren die Aktien negativ. Höhere Zinsen bedeuteten auch höhere Finanzierungskosten und liessen andere Anlagen attraktiver werden. Zudem erstarkt der Franken, was bei der exportorientierten Wirtschaft wohl noch Spuren hinterlassen könnte.

Am Vortag hatte bereits die US-Notenbank Fed die Zinsen um 75 BP und damit so stark wie seit 1994 nicht mehr erhöht. Damit will sie der stark steigenden Inflation wieder Herr werden. Doch im Gegensatz zur Schweiz kam dies an der Wall Street gut an. Der Dow Jones schloss ein Prozent höher. Die Inflationsbekämpfung habe momentan einen höheren Stellenwert als die Hoffnung auf eine "sanfte Landung" der Wirtschaft, hiess es. Und bei solch grossen Schritten zu Beginn der Zinswende hofften die Anleger eher früher als später auf einen gemächlicheren Fed-Kurs. Doch zunächst dürften wohl der Kampf gegen die Inflation, die auch wegen des Ukrainekriegs stark steigenden Rohstoff- und Energiekosten sowie der rigide Corona-Kurs von China die Konjunktur merklich dämpfen, heisst es.

Der Swiss Market Index (SMI) rutschte nach einem bereits leichteren Start nach der SNB-Zinserhöhung stark ab. Um 11.25 Uhr notiert der Leitindex um 2,61 Prozent tiefer auf 10'502,26 Punkten. Beim aktueollen Tagestief (10'478) verbuchte der SMI zugleich auch den tiefsten Stand seit Dezember 2020. Der SLI, in dem die 30 wichtigsten Aktien enthalten sind, verliert am Donnerstag 3,25 Prozent auf 1619,45 und der breite SPI 2,71 Prozent auf 13'494,58 Zähler. Sämtliche 30 SLI-Werte geben nach.

Unter Druck steht auch der Euro, der zum Franken auf 1,02 fällt. Im Frühgeschäft wurde die Gemeinschaftswährung noch zu mehr als 1,04 Franken gehandelt. Der Dollar rutschte wieder unter die Parität auf 0,98 Franken.

Besonders stark verkauft werden Wachstums- und Technologiewerte, bei denen sich höhere Zinsen am stärksten bemerkbar machen, wie Händler sagen. So brechen Sonova, Straumann und Alcon, Lonza, Sika und Givaudan, sowie AMS Osram, VAT zwischen 6,5 und gut vier Prozent ein. Die Aktien der Luxusgüterhersteller Richemont (-4,3%) und Swatch (-3,9%) stehen ähnlich stark unter Druck.

Auch die Finanzwerte, denen ansonsten nachgesagt wird, sie profitierten von höheren Zinsen, können sich dem Negativtrend nicht entziehen. Die Aktien der Partners Group (-4,2%), von Swiss Re (-4,7%), Swiss Life (-4,5%) und Zurich (-3,4%) fallen kräftig. Bei Swiss Re belastet eine Verkaufsempfehlung der UBS den Kurs noch zusätzlich.

Schwächer sind auch die Aktien der Grossbanken UBS (-3,9%) und CS (-3,0%). Dabei dürfte der von der SNB veröffentlichte "Bericht zur Finanzstabilität 2022" den Kurs kaum zusätzlich beeinflusst haben, heisst es. Demnach hatn sich die Kapitalposition der zwei Grossbanken zwar weiter verbessert, allerdings sei das Verlustpotenzial in einem Stressszenario weiterhin substanziell, heisst es.

Am wenigsten schlecht schlagen sich die als defensiv taxierten Aktien von Nestlé (-1,1%), Roche (-1,2%), Novartis (-2,0%) und Swisscom (-2,2%). "Die Anleger suchen sichere Werte", sagte ein Händler.

Im breiten Markt sind Meier Tobler (-1,3%) und SIG (-5,2%) nach Angaben zum Geschäftsverlauf schwächer, Cicor dagegen unverändert. Autoneum sacken um weitere 10 Prozent ab. Der Autozulieferer hatte am Vortag eine Gewinnwarnung abgesetzt.

pre/uh