Von Manuel Priego-Thimmel

FRANKFURT (Dow Jones)--Die Luft an den Börsen ist erst einmal raus. Dem DAX will der nachhaltige Sprung über die Marke von 14.440 Punkten nicht gelingen. Die Hoffnungen an eine baldige Zinswende in den USA, die der Haupttreiber der jüngsten Rally waren, haben nachgelassen. Zwar wird die US-Notenbank im Dezember die Zinsen vermutlich nicht mehr um 75, sondern nur noch um 50 Basispunkte anheben, dafür dürfte der Zinserhöhungszyklus aber länger andauern. Unterstützung finden die Börsen in der besser als erwartet gelaufenen Berichtssaison im dritten Quartal. Das spricht zunächst gegen einen ernsthaften Kursrutsch.


   Fed dürfte in ihrer Rhetorik hart bleiben 

Eine Reihe zuletzt falkenhafter Kommentare verschiedener Fed-Offizieller haben die Anleger auf den Boden der geldpolitischen Realität zurückgeholt. So hat sich etwa Fed-Gouverneur James Bullard für einen Zinsgipfel in dem laufenden Zinserhöhungszyklus von mindestens 5 bis 5,25 Prozent ausgesprochen. Am Markt wird aktuell eine "Terminal Rate" von 4,99 Prozent eingepreist, es besteht also möglicherweise Korrekturbedarf bei den Zinserwartungen nach oben. Wie die Deutsche Bank anmerkt, fiel die Erwartung an den Zinsgipfel nach dem jüngsten günstigen US-Inflationsbericht im Tief bis auf 4,83 Prozent, hat sich seitdem also wieder nach oben gearbeitet.

"Es ist davon auszugehen, dass die Fed in ihrer Rhetorik bis zur nächsten Zinssitzung hart bleiben wird, da sie sich nicht vom Markt in eine Richtung treiben lassen will. Es sind die üblichen Machtspielchen, wo es darum geht, als Notenbank, aber auch als Investor so flexibel wie möglich zu bleiben, wenn es darauf ankommt", so CMC. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Fed die Zinsen im Dezember um 75 Basispunkte anhebe, liege aktuell zwar nur noch bei etwa 15 Prozent und die Inflation sei rückläufig. "Sie liegt aber nach wie vor sehr deutlich über dem Zwei-Prozent-Ziel der Fed. Wenn sie in den kommenden Wochen nicht weiter fällt, dürfte die Notenbank auch im neuen Jahr sehr restriktiv bleiben", heißt es weiter.

Die in der kommenden Woche anstehenden Wirtschaftsdaten sollten derweil die bestehenden Rezessionsrisiken unterstreichen. Der Einbruch des Ifo-Geschäftsklimas ist laut der Commerzbank bisher in erster Linie auf deutlich pessimistischere Erwartungen der Unternehmen zurückzuführen. Die nächste Woche anstehenden November-Zahlen werden zeigen, ob sich nun auch die tatsächliche Geschäftslage verschlechtert und sich die deutsche Wirtschaft bereits auf dem Weg in eine Rezession befindet. "Wir erwarten einen leichten Rückgang", schreibt die Commerzbank. Die Daten werden am kommenden Donnerstag bekannt gegeben.

Bereits am Mittwoch werden die europäischen Einkaufsmanagerindizes veröffentlicht. Sowohl der Index für das verarbeitende Gewerbe wie auch der Service-Index werden im November weiter deutlich unter der Expansionsschwelle von 50 erwartet. Auch mit diesem Datensatz dürften also die Risiken einer Rezession steigen. Sollte es tatsächlich zu einem negativen Wirtschaftswachstum in Europa oder auch den USA kommen, ist zwar davon auszugehen, dass die großen Zentralbanken das Zinserhöhungstempo zumindest drosseln werden, angesichts der negativen Effekte einer Rezession auf die Unternehmensgewinne ist dies aus Anlegersicht aber nur ein schwacher Trost.

Gerade dem überraschend guten Verlauf der Berichtssaison ist es zu verdanken, dass dem DAX nach der jüngsten Rally ein stärkerer Rücksetzer erspart geblieben ist. Die DAX-Konzerne haben im dritten Quartal einer Analyse von EY zufolge weiter Fahrt aufgenommen bei Umsatz und Gewinnen - und das trotz erheblicher wirtschaftlicher und politischer Unsicherheiten. Mit einem Umsatzwachstum von insgesamt 23 Prozent haben die DAX-Konzerne das dritte Quartal erneut auf Rekordniveau abgeschlossen - und zudem das stärkste Umsatzwachstum seit mindestens zehn Jahren verzeichnet. Auch beim Gewinn sei ein neuer Rekordwert erreicht worden: Der operative Gewinn kletterte um 28 Prozent auf 44,7 Milliarden Euro und war damit so hoch wie nie zuvor in einem dritten Quartal.


   Charttechnisch ist im DAX noch nichts entschieden 

Charttechnisch ist im DAX noch nichts entschieden. Je länger die Konsolidierung jetzt andauere, desto besser wird laut Chartanalyst Marcel Mußler von den Mußler-Briefen der nächste Vorstoß nach ganz oben vorbereitet. "Und dabei soll es ja schließlich nicht nur bei einem neuen Pflichthoch über 14.440 bleiben. Sondern idealerweise soll der nächste Vorstoß auch schon bis zum nächsten Superwiderstand bei 14.816, also bis zur Abrissmarke vom Februar führen." Je länger der DAX jetzt trendbestätigend konsolidiert, desto mehr werde oszillatorisch auch die kurzfristige Überkauftheit abgebaut. Was allerdings nicht passieren darf, ist ein Bruch des Aufwärtstrends im DAX bei aktuell 13.820 Punkten.

Kontakt zum Autor: manuel.priego-thimmel@wsj.com

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November 18, 2022 07:17 ET (12:17 GMT)