Von Manuel Priego Thimmel

FRANKFURT (Dow Jones)--Der DAX ist auf dem besten Weg zu neuen Bestmarken. Mit der stark gefallenen Inflation sind Zinssenkungen durch die EZB und die US-Notenbank im ersten Halbjahr 2024 in der Zwischenzeit fest eingepreist. Zugleich spielen die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten für die Börsen nur noch eine Nebenrolle, da lokal begrenzt. Mit dem Ausbruch über die 16.000er-Marke im DAX hat sich die technische Lage im deutschen Auswahlindex klar verbessert. Das spricht für steigende Kurse genauso wie die Saisonalität. Zwar ist in der Zwischenzeit die "Beste aller Welten" weitgehend eingepreist, mit den Kursen sollte es aber zunächst weiter nach oben gehen, bevor es dann zu einer größeren Konsolidierung kommt.

"Die Anleger erwarten für den Dezember eine Fortsetzung der Jahresendrally", heißt es bei QC Partners. Historisch betrachtet gehöre der Dezember auch zu den stärksten Börsenmonaten, wenngleich der November in der historischen Analyse die Nase vorn habe. Allerdings, so merkt CMC an, werden die Skeptiker auf dem Frankfurter Börsenparkett von der laufenden Rally im DAX völlig überrollt. "Ihre einzige Option bleibt, den steigenden Kursen hinterherzurennen oder auch nur hinterherzublicken - wer auf günstigere Einstiege hofft, bleibt auf der Strecke. Fast jeder war vor dem Beginn des Anstiegs aus dem Markt. Und noch lange nicht ist das zur Verfügung stehende Kapital investiert und könnte die Kurse auch im Dezember weiter nach oben treiben", heißt es.


   Inflationsdruck kollabiert regelrecht 

Fundamentaler Haupttreiber ist der kollabierenden Inflationsdruck. Im Euroraum ist die Inflationsrate im November um 0,5 Prozentpunkt auf 2,4 Prozent gefallen. "Dies ist deutlich stärker als erwartet. Überrascht hat vor allem der kräftige Rückgang der Teuerungsrate für Dienstleistungen", heißt es bei der Commerzbank. Die Teuerungsrate ohne die volatilen Preise für Energie, Nahrungs- und Genussmittel ist von 4,2 Prozent auf 3,6 Prozent gefallen. Auch in den USA geht es mit der Inflation in die richtige Richtung.

Die jüngsten Preisdaten haben die Spekulationen um baldige Leitzinssenkungen weiter befeuert. Wie die Deutsche Bank anmerkt, wird eine Zinssenkung im Dollarraum nun für Mai vollständig eingepreist, in der Eurozone sogar bereits für April. Die meisten Volkswirte rechnen zwar erst zur Jahresmitte mit einer ersten Senkung. Allerdings könnten Finanzmärkte dieses Mal in ihren Erwartungen richtig liegen, denn wie Stratege George Saravelos anmerkt, deuteten die jüngsten Preisdaten aus der Eurozone darauf hin, dass die Inflation schon bald unter das EZB-Ziel von 2 Prozent rutschen könnte. Saravelos schließt daher nicht aus, dass die EZB sich gezwungen sieht, sogar schon im ersten Quartal 2024 den Zinssenkungszyklus zu starten.

Die in der kommenden Woche anstehenden US-Arbeitsmarktdaten dürften das Szenario bald sinkender Leitzinsen im Dollarraum unterstützen. In den USA endeten mehrere Streiks. "Daher ist die Beschäftigung im November wohl wieder etwas stärker gestiegen. Das ändert aber nichts daran, dass sich der US-Arbeitsmarkt in der Tendenz abschwächt", heißt es bei der Commerzbank. Die Analysten erwarten insgesamt einen Anstieg der Beschäftigtenzahl um 200.000 (Konsens 175.000). Deutlich schwächer sehe dagegen eine andere wichtige Kennzahl aus, nämlich die Arbeitslosenquote. Seit dem Tiefpunkt im Frühjahr bei 3,4 Prozent ist sie inzwischen auf 3,9 Prozent geklettert.


   Dividendenrendite wird wieder attraktiver angesichts fallender Anleiherenditen 

Die Rally an den Anleihemärkten und die damit einhergehenden fallenden Renditen haben Aktien wieder attraktiver gegenüber Anleihen gemacht. Die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen liegt nun bei 2,24 Prozent nach Ständen von über 3 Prozent vor nicht allzu langer Zeit. Dem stehen steigende Dividendenzahlungen entgegen. Viele DAX-Unternehmen haben laut der Commerzbank wahrscheinlich auch im anspruchsvollen Geschäftsjahr 2023 ihre Umsätze und Gewinne gesteigert. Daher gehen die Markterwartungen derzeit davon aus, dass 21 DAX-Unternehmen ihre Dividende anheben werden und die DAX-Dividendensumme insgesamt um 2 Prozent auf 52,7 Milliarden Euro steigen wird. Auf Basis dieser Zahlen biete der DAX derzeit eine durchschnittliche Dividendenrendite von 3,4 Prozent, heißt es.

Nach einer Rally von knapp 1.500 Punkten im DAX ist mittlerweile die "Beste aller Welten" eingepreist. Das spricht eher für eine baldige Konsolidierung im Index. Eine solche ist auch in der Tat nur eine Frage der Zeit. Aber zunächst sollte es mit den Kursen weiter nach oben gehen. Denn mit dem Anstieg über den massiven Widerstand um 16.050 Punkten ist der Weg zum Allzeithoch im DAX bei 16.529 Punkten technisch frei. Mit dem nahenden Jahreswechsel gewinnt mit dem "Window-Dressing" ein weiteres Phänomen an Bedeutung. Typischerweise nutzen Institutionelle Anleger die letzen Tage des Jahres, um ihre Performance aufzuhübschen. Da viele Anleger von der jüngsten Rally vollkommen überrascht gewesen sein dürften, besteht wohl einiger Nachholbedarf.

Kontakt zum Autor: manuel.priego-thimmel@dowjones.com

DJG/mpt/raz

(END) Dow Jones Newswires

December 01, 2023 06:15 ET (11:15 GMT)