Von Herbert Rude

FRANKFURT (Dow Jones)--Der positive Grundton an den Aktienmärkten hat sich schon wieder verflüchtigt und ist einem gemischten Bild gewichen. Viel mehr als einen seitwärts laufenden DAX zwischen gut 12.000 und knapp 13.000 Punkten sollten Anleger laut Marktteilnehmern von der kommenden Woche nun nicht mehr erwarten. Im Blick dürfte voll und ganz die Sitzung der Europäischen Zentralbank stehen. Dabei ist der Markt auf einen Zinsanstieg um 72,5 Basispunkte eingestellt, ein erneuter Zinsschritt um einen dreiviertel Prozentpunkt gilt also als ziemlich sicher. Für die übernächste Sitzung im Dezember gilt es noch als offen, ob die EZB die Leitzinsen um 50 oder um 75 Basispunkte erhöht.

Steigende Zinsen sind bekanntlich Gift für die Aktien, und das Motto "do not fight the Fed" hat sich ebenfalls meistens bewährt. Besonders die US-Notenbank hat sich nun aber voll und ganz dem Kampf gegen die Inflation konzentriert. Das gilt nun sogar für eigentlich dem Taubenlager zugerechnete FOMC-Mitglieder wie Neel Kashkari, Prädident der US-Notenbankfiliale in Minneapolis. Er lehnt eine Pause bei den Zinserhöhungen ab, solange die Inflation nicht gebrochen wird. In den USA sind für die kommenden beiden Fed-Sitzungen je 75 Basispunkte Zinsanstieg eingepreist.

Nun ist es so, dass in Zinserhöhungszyklen der Vergangenheit die Leitzinsen meistens irgendwann über der Inflationsrate lagen. Aus derzeitiger Sicht wäre das ein Horrorszenario, nicht nur für die Märkte, sondern auch für Konjunktur und Staatsfinanzen. Soweit wird es aber nicht kommen, besonders in der EZB sprechen die Mehrheitsverhältnisse gegen eine so straffe Geldpolitik. Und auch in den USA wird der Höchststand der Leitzinsen "nur" bei 5,25 Prozent erwartet. Viel zu niedrig angesichts der aktuellen Inflation, aber viel zu hoch angesichts des fragilen Umfelds, wie Marktteilnehmer meinen.


  ...nur nicht in Japan - "bis es knallt" 

Gefahr droht den Märkten auch aus dem fernen Osten, und hier nun weniger aus China als vielmehr aus Japan. Die Abwertung des Yen setzt sich unvermindert fort. Sollte die japanische Notenbank den Zinsdeckel anheben, könnte das besonders an den globalen Anleihenmärkten ein weiteres Desaster auslösen

Robert Rethfeld von Wellenreiter-Invest verweist darauf, dass der Yen im Oktober 2008 innerhalb weniger Tage um 10 Prozent gestiegen ist. "Damals hieß es nur noch: Raus aus dem Carry-Trade um jeden Preis", so der Marktanalyt.

"So wie die Fed und die EZB aktuell agieren, hat man den Eindruck, dass die den Carry-Trade überhaupt nicht auf dem Radar haben", sagt Rethfeld. Der Anstieg der Anleihenzinsen könnte schon in Kürze mit einem "Knall" kulminieren, warnt er.


   Gaspreis gibt Anlass zur Hoffnung, US-Zwischenwahlen nicht 

Hoffnung auf einen Rückgang der Inflation macht vor allem der deutliche Fall der Gaspreise. Sie haben sich seit den Höchstständen des Sommers gedrittelt. Damit sind sie zwar immer noch drei Mal so hoch wie über weite Strecken des vergangenen Jahres. Sollten die Gaspreise aber auf diesem Niveau bleiben, werden sie ab dem kommenden Februar einen dämpfenden Effekt auf die Inflationsraten haben.

Erste Stimmen am Markt hoffen nun auch auf die US-Zwischenwahlen, die am 8. November stattfinden und in der Vergangenheit schon öfters eine schwache Phase an den Aktienmärkten beendet haben. Das sollten Marktteilnehmer aber nicht überbewerten: "Unseres Erachtens handelt es sich hauptsächlich um ein 'Getöse', das auf lange Sicht wenig bis gar keine Auswirkungen hat", heißt es beim Vermögensverwalter La Francaise, der die zeitliche Nähe zu den Trendwenden der Vergangenheit als reinen "Zufall" bewertet.


   SAP kommt mit Zahlen 

Im Vorfeld der EZB-Sitzung muss der Markt am Montag noch die Einkaufsmanager-Indizes der Eurozone verdauen und am Dienstag den ifo-Geschäftsklima-Index.

Daneben nimmt nun auch in Europa die Berichtssaison an Tempo zu. In den USA haben bisher etwa zwei Drittel der vorgelegten Ergebnisse die Gewinnerwartungen übertroffen. Derzeit gelingt es den Unternehmen eben, ihre Produkte bei den Verbrauchern auch zu höheren Kosten zu platzieren.

Im Blick des deutschen Markts dürften zunächst die Zahlen von SAP am Dienstag stehen. Die Aktie hat zuletzt Relative Stärke gezeigt. Marktteilnehmer erwarten, dass die Quartalszahlen zwar noch einmal schwach ausfallen, dass damit aber auch der Tiefpunkt erreicht ist und der Gewinn im laufenden Quartal bereits wieder deutlich nach oben weist.

Am Mittwoch folgen BASF, Deutsche Bank, Covestro, Mercedes-Benz und Symrise. Daneben wird sich am Mittwoch zeigen, ob Puma mit dem Gegenwind von der Verbraucherkonjunktur besser zurecht gekommen ist als Adidas. VW legt dann am Freitag seine Zahlen auf den Tisch.

Kontakt zum Autor: maerkte.de@dowjones.com

DJG/hru/raz

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