Von Michael Denzin

FRANKFURT (Dow Jones)--Weiter volatil abwärts dürfte es auch in der kommenden Woche mit DAX & Co gehen. Die Märkte befinden sich unverändert im Spannungsfeld aus Inflation, Zinserhöhungen und Rezessionssorgen. Je nach Nachrichtenlage geht es abwärts oder auch mal kräftig hoch, doch blenden lassen sollte man sich von starken Erholungen nicht. Im DAX liegt die erwartete Volatilität weiter bei fast 500 Punkten am Tag, was kein attraktives Umfeld für langfristige Anleger ist. Tonangebende Gruppe bleiben daher die kurzfristigen Trader, die je nach Nachrichtenlage in beide Richtungen agieren.


   Einkaufsmanager und Euro im Blick 

Stoff dazu werden sie in der kommenden Woche genug bekommen. Denn obwohl für die meisten Europäer mit dem Feiertag am Donnerstag die Handelswoche verkürzt ist, stehen bis Mittwoch hochkarätige Daten an. So zum Beispiel die neuen Einkaufsmanager-Indizes (PMI) für Mai und der Ifo-Index. Hier dürften sich die Sorgen spiegeln, dass der Ukraine-Krieg länger dauert und die Sanktionen der europäischen Wirtschaft stärker schaden als noch bei der letzten Datenerhebung erhofft. In denen spiegelte sich außerdem noch die Hoffnung auf Lockerungen der Lockdowns in China, die sich ebenfalls noch nicht materialisiert haben. Da sich zahlreiche systematische Fondsanlagen an der Richtung der PMIs orientieren, dürfte ein Abknicken der Daten zu weiteren Aktienverkäufen durch Fondsmanager führen.

Etwas gebremst zeigte sich zumindest der Kapitalabzug von Anlegern aus dem Dollar-Raum in der abgelaufenen Woche. Der internationale Vertrauensverlust in den Willen der EZB zur Inflationsbekämpfung hatte den Euro bis in den Bereich von 1,03 Dollar rutschen lassen, bevor eine Erholung einsetzte. Aktienhändler werteten dies als Zeichen, dass der Verkaufsdruck aus dem Dollar-Raum nachgelassen habe. Sollte der Euro aber wieder nach unten drehen - vor allem in Richtung der gefürchteten Parität zum Dollar - könnte auch schnell wieder Druck durch die letzten verbliebenen Auslandsanleger aufkommen. Denn angesichts der hohen Volatilitäten sind vielen Anlegern Devisen-Absicherungsgeschäfte aktuell zu teuer.


   Entschlossenheit der US-Notenbank bei Inflationsbekämpfung 

Wichtigstes Datum der kommenden Woche ist daher die Vorlage des Protokolls der US-Notenbank-Sitzung vom 3. und 4. Mai. Sollten sich dort Hinweise auf noch schärfere Töne zur Inflationsbekämpfung finden, könnte der Dollar schnell wieder in Richtung neuer Dekadenhochs laufen. Denn US-Notenbankchef Powell hatte jüngst klargemacht, die Fed werde die Zinsen so lange erhöhen, bis es "klare und überzeugende Beweise" für einen Rückgang der Inflation gebe. Dafür sei sie sogar bereit, ein neutrales Zinsniveau zu überschreiten.

Diese Diskrepanz aus Entschlossenheit in den USA und Zögern in Europa bei der Inflationsbekämpfung kann noch lange als kräftiger Treibsatz für den US-Dollar wirken. Der gerade eben mit 7,4 Prozent festgestellte Inflationsanstieg in der Eurozone dürfte dann noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Denn auch der schwache Euro importiert über dollarnotierte Öl- und Gaspreise weitere Inflation ins Land.


   Inflation frisst sich in alle Lebensbereich hinein 

Der Verweis auf volatile Energie- und Nahrungspreise, die man von der Inflation abziehen müsse, greift schon lange nicht mehr: Denn die Inflation breitet sich in alle Lebensbereiche aus. Da Güter transportiert werden, fressen sich Energiepreise über die Logistikkosten in die Endpreise. Entsprechend sprangen die deutschen Erzeugerpreise im April um 33,5 Prozent zum Vorjahr - der höchste Anstieg seit 1949. Konsumenten werden sie erst mit einer Zeitverzögerung von einigen Monaten in den Verbraucherpreisen (CPI) zu spüren bekommen.

Dass damit die Gewinnmargen der Unternehmen vernichtet werden, wird für Anleger erst langsam offensichtlich. Es erklärt auch den Kurseinbruch vom Mittwoch in den USA: Denn mit fallenden Margen zerschlägt sich die Hoffnung auf Gewinnsteigerungen - die wiederum ist aber die Voraussetzung für steigende Kurse.


   Marge, Umsatz & Bewertung - Der "Triple Whammy" für Aktionäre 

Auch ein Umsatzanstieg reißt es dann nicht mehr heraus. Schließlich sinken zum einen mit der Inflation die verfügbaren Einkommen, der Verbraucher gibt generell weniger aus. Zum anderen verteilt sich aber selbst ein Mehr an ausgegebenem Geld auf immer weniger Produkte. Der vermeintlich höhere Absatz kann dann einfach von der Inflation aufgeblasen worden sein.

Getoppt wird das Ganze für Aktienanleger auch noch von der Aussicht auf steigende Renditen. Denn damit geraten auch noch die Aktienbewertungen unter Druck. Vor allem die Aktien der Technologiewerte wie Apple, Tesla und Co mussten dies gerade schmerzhaft erfahren. Mit fallenden Margen, sinkendem Absatzvolumen und gleichzeitig fallender Aktienbewertung ereilt Aktionäre damit gleich der berüchtigte "Triple Whammy" - drei Faustschläge auf einmal. Solange bei diesen Faktoren keine Besserung in Sicht ist, scheint eine Investition in den Sommerurlaub besser als die in den Aktienmarkt.

Kontakt zum Autor: maerkte.de@dowjones.com

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May 20, 2022 09:09 ET (13:09 GMT)