FRANKFURT (Dow Jones)--Wenig verändert nach einem hochvolatilen Handel sind Europas Aktienmärkte nach der EZB-Zinserhöhung aus dem Handel gegangen. Der große Zinsschritt um 0,75 Prozentpunkte sei angemessen, hieß es. Der DAX schloss zwar nur 0,1 Prozent tiefer bei 12.904 Punkten, sprang jedoch zwischen Tagestief und -hoch um über 300 Punkte. Denn gleichzeitig mit der EZB hatte der Markt noch falkenhafte Aussagen von US-Notenbankchef Powell zu verdauen, was besonders die Anleihemärkte unter Druck setzte. Der Euro-Stoxx-50 schaffte mit 0,3 Prozent sogar den Sprung ins Plus auf 3.512 Zähler.

Die EZB-Erhöhung wurde von Analysten fast ausnahmslos gelobt. Sie nehme endlich die Inflation ernst, urteilte Martin Moryson, Chef-Volkswirt der DWS für Europa. Dazu erhöhte die EZB jedoch auch ihre Inflationsprognosen für die nächsten drei Jahre deutlich, was zwischenzeitlich für heftige Kursverluste bei langlaufenden Anleihen sorgte. Die Rendite von Italiens Anleihen erreichte fast wieder die 4-Prozent-Marke.

Für die Erholung im späten Geschäft sorgte die Einsicht, dass eine klare Inflationsbekämpfung das Beste auch für Europas Aktien ist. Vor allem Banken und Versicherer profitierten davon und zogen als Tagesgewinner die Märkte nach oben.


  Inflationsprognose der EZB erschreckt 

Unter Druck standen Europas Börsen zwischenzeitlich weniger wegen der Zinserhöhung, sondern den Inflationsprojektionen: Die EZB rechnet mit einer Inflationsrate von 8,1 Prozent in 2022, mit 5,5 Prozent in 2023 und 2,3 Prozent in 2024. Das sind deutliche Steigerungen von zuvor gesehenen 6,8 Prozent, 3,5 Prozent und 2,1 Prozent.

"Mittlerweile leidet die Hälfte der Mitgliedsländer unter einer zweistelligen Inflationsrate", betont Moryson. Die Teuerungsraten werden der EZB keine weitere Wahl lassen, als im Oktober und Dezember die Zinsen weiter zu erhöhen, selbst wenn die Eurozone dann bereits in eine Rezession blicke. Und auf der Pressekonferenz habe EZB-Chefin Lagarde einen hawkishen Tonfall angeschlagen und keinen Zweifel daran gelassen, dass weitere Zinserhöhungen bevorstehen, sagte auch Martin Wolburg von Generali Investments.


  Konsum dürfte unter Kaufkraftverlust massiv leiden 

Konsumnahe Sektoren litten unter der EZB-Inflationsprognose am meisten: Einzelhändler und Autowerte stellten die Hauptverlierer. Diese Sektoren seien konsumnah und würden den Kaufkraftverlust der Verbraucher deutlich zu spüren bekommen, hieß es im Handel.

Selbst der E-Commerce-Sektor könnte nach Branchenangaben in 2022 das erste Jahr in seiner gesamten Geschichte einen Umsatzrückgang ausweisen. Entsprechend fielen im DAX Puma um 1,40 und Zalando um 2,1 Prozent. In London gaben Marks & Spencer 4,2 Prozent nach, in Stockholm verloren H&M 1,5 Prozent.


  Finanzbranche mit Zinserhöhung etwas gesucht 

Finanzwerte wie Banken und Versicherer waren die Tagesgewinner: Banken standen mit über 2 Prozent Plus unter den Branchen unangefochten vorn. Sie können dank der Zinserhöhung Kredite mit höherer Gewinnspanne vergeben, Versicherer ihr Anlagevermögen besserverzinslich anlegen. Die Banken seien "die Gewinner der Stunde", meinte Salah-Eddine Bouhmidi von IG.

Deutsche Bank stiegen 5,6 Prozent und Commerzbank 5,4 Prozent. Die Commerzbank ist dazu nach eigener Aussage gut in das zweite Halbjahr gestartet und sieht sich auf Kurs, die Ziele zu erreichen. Deutsche Bank sollen das öffentliche Angebot des Porsche-IPO an Privatanleger übernehmen. Händler sehen dies überwiegend als "Trostpflaster", da bei der Emission US-Banken das Sagen hätten.


  Versorger verlieren - Erste Preisdeckelung ist da 

Bei Versorgern entwich die Freude vom Vortag über eine Preisobergrenze von 200 Euro/MWh für nicht aus Gas erzeugten Strom. Die nun angekündigte staatliche Preisdeckelung für Energie in Großbritannien könnte auch in Europa kommen. Uniper fielen um 2,5 Prozent. Dem Unternehmen wurden weitere 4 Milliarden Euro von der KfW als Liquiditätsspritze bewilligt. Händler gehen jedoch davon aus, dass der Bedarf damit noch nicht gedeckt sei. Fortum verloren 3,6 Prozent und Verbund in Wien um 2,3 Prozent.

SGL Carbon setzten ihre Rally nach der erhöhten Prognose fort und stiegen weitere 3,2 Prozent.

Auch Umstufungen von Analysten sorgten weiter für kräftige Kursbewegungen. So brachen in Paris Atos um 15 Prozent ein. Goldman Sachs hat die Aktie des IT-Dienstleisters zum Verkauf gestellt.


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Index                  Schluss-  Entwicklung  Entwicklung    Entwicklung 
.                         stand      absolut         in %           seit 
.                                                          Jahresbeginn* 
Euro-Stoxx-50          3.512,38       +10,29        +0,3%         -18,3% 
Stoxx-50               3.489,72       +14,88        +0,4%          -8,6% 
Stoxx-600                414,09        +2,08        +0,5%         -15,1% 
XETRA-DAX             12.904,32       -11,65        -0,1%         -18,8% 
FTSE-100 London        7.263,10       +25,27        +0,3%          -2,0% 
CAC-40 Paris           6.125,90       +19,98        +0,3%         -14,4% 
AEX Amsterdam            674,40        +3,13        +0,5%         -15,5% 
ATHEX-20 Athen         1.984,55       +10,98        +0,6%          -7,4% 
BEL-20 Bruessel        3.623,21       +46,15        +1,3%         -15,9% 
BUX Budapest          40.863,94      -296,48        -0,7%         -19,4% 
OMXH-25 Helsinki       4.621,40        +8,80        +0,2%         -17,2% 
ISE NAT. 30 Istanbul   3.766,07       +37,78        +1,0%         +86,0% 
OMXC-20 Kopenhagen     1.668,63       +20,48        +1,2%         -10,5% 
PSI 20 Lissabon        5.937,89       +27,81        +0,5%          +7,1% 
IBEX-35 Madrid         7.916,80       +60,90        +0,8%          -9,2% 
FTSE-MIB Mailand      21.678,08      +188,72        +0,9%         -21,4% 
RTS Moskau             1.237,75        -5,95        -0,5%         -22,4% 
OBX Oslo               1.088,18        +6,40        +0,6%          +1,8% 
PX  Prag               1.172,22       +20,55        +1,8%         -17,8% 
OMXS-30 Stockholm      1.907,31        +9,54        +0,5%         -21,2% 
WIG-20 Warschau        1.473,18        +3,76        +0,3%         -35,0% 
ATX Wien               2.938,89       +52,13        +1,8%         -24,1% 
SMI Zuerich           10.790,32       -14,84        -0,1%         -16,2% 
* zu Vortagsschluss 
 
 
DEVISEN               zuletzt        +/- %   Do, 8:57  Mi, 17:01    % YTD 
EUR/USD                0,9958        -0,5%     0,9998     0,9949   -12,4% 
EUR/JPY                143,43        -0,3%     143,68     143,75    +9,6% 
EUR/CHF                0,9685        -1,0%     0,9764     1,0184    -6,7% 
EUR/GBP                0,8671        -0,0%     0,8684     0,8676    +3,2% 
USD/JPY                144,02        +0,2%     143,70     144,48   +25,1% 
GBP/USD                1,1485        -0,5%     1,1508     1,1465   -15,1% 
USD/CNH (Offshore)     6,9631        +0,1%     6,9633     6,9756    +9,6% 
Bitcoin 
BTC/USD             19.255,58        -0,6%  19.235,64  18.905,59   -58,4% 
 
ROHOEL                zuletzt  VT-Settlem.      +/- %    +/- USD    % YTD 
WTI/Nymex               83,66        81,94      +2,1%      +1,72   +17,9% 
Brent/ICE               88,97           88      +1,1%      +0,97   +20,3% 
GAS                            VT-Settlem.               +/- EUR 
Dutch TTF              224,00       213,88      +4,7%     +10,12  +239,7% 
 
METALLE               zuletzt       Vortag      +/- %    +/- USD    % YTD 
Gold (Spot)          1.707,89     1.718,30      -0,6%     -10,41    -6,7% 
Silber (Spot)           18,47        18,53      -0,3%      -0,06   -20,8% 
Platin (Spot)          879,70       871,00      +1,0%      +8,70    -9,4% 
Kupfer-Future            3,50         3,44      +1,8%      +0,06   -21,0% 
 
YTD bezogen auf Schlussstand des Vortags 
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September 08, 2022 12:06 ET (16:06 GMT)