Von Steffen Gosenheimer

LONDON/PARIS (Dow Jones)--Mit Einbußen sind die europäischen Börsen, an denen am Silvestertag nochmal gehandelt wurde, aus dem Pandemiejahr 2020 gegangen. Während mancherorts wie in Deutschland, Italien und der Schweiz das Börsenjahr bereits am 30. Dezember endete, konnten unter anderem in London, Paris und Madrid in einer verkürzten Sitzung letzte Änderungen in den Portfolios vorgenommen werden.

Der Euro-Stoxx-50 schloss 0,5 Prozent im Minus bei 3.552 Punkten, der Stoxx-50 gab um 0,4 Prozent nach. Dabei fielen an den einzelnen Plätzen die Verluste bei den Indizes durchaus größer aus. Dass sich dies in den europäischen Indizes nicht stärker auswirkte, lag daran, dass dort auch Aktien aus Deutschland, Italien und der Schweiz mit in die Berechnung eingehen.

Auf die Stimmung drückten neben der weiter grassierenden Corona-Pandemie, Pläne der USA, im bereits Jahre währenden Streit über Subventionen für die Flugzeughersteller Airbus und Boeing zusätzliche Zölle auf französische und deutsche Produkte zu erheben. Die Zölle betreffen "Flugzeugbauteile aus Frankreich und Deutschland, bestimmte Weine sowie Cognacs und andere Branntweine aus Frankreich und Deutschland", wie der US-Handelsbeauftragte mitteilte. In Paris gaben die Kurse von Safran und Airbus um 2,6 bzw. um 1,6 Prozent nach. Remy Cointreau und Pernod Ricard verbilligten sich um 4,0 bzw 2,1 Prozent, in London gaben Diageo um 3,8 Prozent nach.


  "Safety first" in London zum Abschied aus EU-Zollunion 

Der französische Index CAC-40 ging 0,9 Prozent schwächer aus dem Tag, der FTSE-100 in London verlor sogar 1,5 Prozent. Hier dürften einige Akteure auf Nummer sicher gegangen sein, weil mit Beginn des neuen Jahres der Abschied des Königreiches aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion endgültig wird. Dann gilt das in letzter Minute noch ausgehandelte Handelsabkommen zwischen EU und Großbritannien, das längst noch nicht alle Fragen über die künftigen Beziehungen geklärt hat. Insbesondere gilt das für den britischen Bankensektor und die Geschäfte der britischen Banken in der EU.

Britische Bankaktien fanden sich denn auch unter den größeren Verlierern. Standard Chartered, Barclays, HSBC und Lloyds verloren zwischen 1,0 und 1,5 Prozent. Der Kurs der Fluggesellschaft IAG sank um 4,5 Prozent.

Verkauft wurden auch Versicherer, Prudential gaben um 1,6 und Legal & General um 1,0 Prozent nach. Wie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) mitteilte, verlieren britische Versicherer wegen des Brexit ihre Rechte aus dem Europäischen Pass, womit ihre Möglichkeit endet, grenzüberschreitend im Inland tätig zu sein.

Astrazeneca büßten 1 Prozent ein. Teilnehmer verwiesen dazu auf Signale aus der US-Administration, wonach der Corona-Impfstoff von Astrazeneca wegen Zweifeln an seiner Wirksamkeit in den USA nicht vor April verbreicht werden dürfte.

Firstgroup gingen nach Anfangsgewinnen unverändert aus dem Tag, nachdem der Eisenbahn- und Buslinienbetreiber drei Immobilien für 137 Millionen Dollar teils deutlich über dem Buchwert verkauft hat.

Countrywide machten einen Satz um fast 13 Prozent nach oben auf 391 Pence. Hier trieb die Einigung auf einen Einstieg von Connells bei dem Immobilienunternehmen im Gesamtwert von 134,4 Millionen Pfund bzw. 395 Pence je Aktie. Connell strebt einen Anteil von 51 Prozent an.

Bremsend auf die Aktienkurse in London wirkte aber auch das Pfund, das nach der Zustimmung des britischen Parlaments zum Nach-Brexit-Abkommen weiter zulegte auf 1,3644 Dollar. Das ist der höchste Stand seit April 2018. Auch zum Euro legte der Pfund-Kurs weiter zu. Das teurere Pfund ist ungünstig für die Exportunternehmen auf der Insel.


   Rückblick 2020: Tiefem Absturz folgt kräftige Erholung 

Das Börsenjahr 2020 stand ganz im Zeichen der Corona-Pandemie. Als zu Jahresbeginn erste Berichte aus China über ein neuartiges Virus auftauchten, schenkten die Börsen dem kaum Beachtung. Ähnlich wie beim Sars-Virus glaubte man an ein regional begrenztes Problem. Das änderte sich mit dem Auftauchen des Virus in Italien im Januar und allerspätestens, als im März die WHO eine weltweite Pandemie erklärte. Folgende Lockdowns sorgten für einen Einbruch der globalen Wirtschaft und stürzten die Börsen tief nach unten.

Billionenschwere fiskal- und geldpolitische Hilfspakete der Regierungen und Notenbanken verhinderten aber das Schlimmste und die Erholung der Wirtschaft und der Aktienmärkte setzte schneller als gedacht ein. Ein Übriges trug dazu bei, dass Biontech und der Partner Pfizer sowie Moderna im November klinische Daten vorlegten, die eine hohe Wirksamkeit ihrer jeweiligen Corona-Impfstoffe zeigten. An den Finanzmärkten wurden umso mehr auf eine Rückkehr zur Normalität 2021 gesetzt - trotz aller weiter bestehenden Risiken. So standen zum Jahresschluss 2020 viele Kurse und Indizes wieder in der Nähe ihrer Niveaus vom Jahresbeginn.


   DAX trotz Corona mit kleinem Jahresgewinn 

Der DAX schaffte es sogar, das Jahreshoch aus dem Februar hinter sich zu lassen. Unter dem Strich legte er um 3,6 Prozent zu. Der Euro-Stoxx-50 schnitt schlechter ab, er büßte 5,2 Prozent ein. Dafür waren zum einen die sehr schwachen Bank- und Ölaktien mit verantwortlich, zum anderen gilt der DAX als zyklischer, womit die Erwartung eines normalisierten 2021 dort stärker wirkte. Außerdem sind anders als beim DAX im Euro-Stoxx-50 gezahlte Dividenden nicht enthalten.

In der Entwicklung der Sektoren spiegelte sich die Corona-Krise wider. Für die Reisebranche war sie das größte anzunehmende Unglück, denn der Tourismus kam weitgehend zum Erliegen. Zahlreiche Fluggesellschaften und Touristikanbieter mussten mit milliardenschweren staatlichen Hilfspaketen vor der Pleite gerettet werden, Kinos mussten dichtmachen. Der Sektorindex Reise und Freizeit gab um fast 16 Prozent nach.

Für den Subindex der Öl- und Gasaktien ging es mit 26 Prozent noch deutlicher abwärts. Hier belastete nicht nur die geringere Nachfrage nach Erdöl als Folge der Krise, sondern auch die zunehmende "Vergrünung" der Wirtschaft - Stichwort Green Deal.


   Brexit und Niedrigzinsen setzen Bankaktien zu 

Bankaktien gaben gemessen am Stoxx-Subindex um 24 Prozent nach. Hier drückte, dass die Covid-Krise tiefe Löcher in die Bankbilanzen zu reißen drohte, aber auch die Sorge vor einem harten Brexit, der den Sektor, vor allem britische Institute, stark treffen würde. Daneben litten die Branchentitel unter dem weltweit weiter extrem niedrigen Zinsniveau, das dem traditionellen Kreditgeschäft zusetzt. Ein Dämpfer für die Kurse war daneben, dass den Geldhäusern von den Aufsehern Fesseln für die Dividendenausschüttung und Aktienrückkäufe angelegt wurden, mit dem Ziel, in der Krise die Kapitalpuffer zu schützen.

Wie in jeder Krise gab es aber auch in der Corona-Krise Gewinner, vor allem den Technologiebereich. Der entsprechende Stoxx-Index legte um etwa 14 Prozent zu. Der Trend hin zur Digitalisierung wurde durch die Pandemie massiv beschleunigt, die Arbeitswelt durch Homeoffice revolutioniert.

Überraschend gut schlug sich der Rohstoffsektor mit einem Zugewinn von rund 8 Prozent. Hier machten sich steigende Stahl- und Rohstoffpreise bemerkbar, auch dank frühzeitiger Signale einer wirtschaftlichen Erholung in China. Die Anleger setzten zudem nicht nur auf eine stärkere Wirtschaft 2021, sondern auch auf eine strukturell höhere Nachfrage nach gewissen Metallen, etwa Kupfer, im Zuge der technischen Klimawende.

Die erreichten Niveaus zum Jahresende 2020 legen nahe, dass die Anleger auf breiter Front auf eine starke wirtschaftliche Erholung im kommenden Jahr setzen - "priced for perfection", heißt dies im Fachjargon. Denn die Risiken sind groß. Sie reichen etwa von Virus-Mutationen, die die Effektivität der entwickelten Impfstoffe verringern könnten, über ein Wiederaufflammen des US-chinesischen Handelskonflikts bis hin zu einem überraschend starken Anstieg der Inflation, der die Zentralbanken vor ein Dilemma stellen würde.


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Per letzter Handelstag 31. Dezember: 
 
Index                 Schluss-  Entwicklung  Entwicklung   Entwicklung 
                         stand      absolut         in %          seit 
                                                          Jahresbeginn 
Euro-Stoxx-50         3.552,64       -18,95        -0,5%         -5,1% 
Stoxx-50              3.105,14       -13,18        -0,4%         -8,8% 
Stoxx-600               398,69        -1,56        -0,4%         -4,1% 
FTSE-100 London       6.460,52       -95,30        -1,5%        -13,1% 
CAC-40 Paris          5.551,41       -48,00        -0,9%         -7,1% 
AEX Amsterdam           624,61        -3,45        -0,5%         +3,3% 
ATHEX-20 Athen        1.945,16        +8,78        +0,5%        -15,4% 
BEL-20 Bruessel       3.621,28       -41,78        -1,1%         -8,5% 
ISE NAT. 30 Istanbul  1.632,20       -10,29        -0,6%        +17,6% 
PSI 20 Lissabon       4.921,78       -23,42        -0,5%         -6,1% 
IBEX-35 Madrid        8.073,70       -80,70        -1,0%        -15,5% 
 
 
Per letzter Handelstag 30. Dezember: 
 
XETRA-DAX             13.718,78       -42,60        -0,3%         +3,6% 
BUX Budapest          42.107,57      +374,46        +0,9%         -8,6% 
OMXH-25 Helsinki       4.586,15       -36,69        -0,8%         +8,6% 
OMXC-20 Kopenhagen     1.465,17        -9,89        -0,7%        +29,0% 
FTSE-MIB Mailand      22.232,90       -26,45        -0,1%         -5,3% 
RTS Moskau             1.387,46       -11,02        -0,8%        -10,4% 
OBX Oslo                 858,86        +2,67        +0,3%         +1,8% 

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December 31, 2020 08:26 ET (13:26 GMT)