Von Herbert Rude

FRANKFURT (Dow Jones)--Die Talfahrt an den europäischen Aktienmärkten scheint gestoppt: Die großen Indizes liegen am Nachmittag zwar noch deutlich im Minus, aber auch deutlich über den Tagestiefstständen. Der DAX verliert noch 1,3 Prozent auf 13.824 Punkte, der Euro-Stoxx-50 gibt um 1,8 Prozent auf 3.624 Punkte nach. "Viele Anleger sind bereits abgesichert oder haben die Aktienquoten heruntergefahren", sagt ein Marktteilnehmer. So habe die Cash-Quote der großen Fonds laut der jüngsten Umfrage der Bank of America zuletzt schon bei 6,1 Prozent gelegen und damit so hoch wie zuletzt im September 2001.

Zudem dämpfen neue US-Konjunkturdaten die Zinserhöhungsängste etwas. Der Konjunkturindex der Notenbankfiliale in Philadelphia ist stärker als erwartet gefalllen, und auch die Preiskomponenten sind etwa zurückgekommen. Zugleich sind die Erstanträge auf US-Arbeitslosenhilfe überraschend gestiegen. Der Euro steigt daraufhin auf neue Tageshöchststände, und die Feinunze Gold verteuert sich um 1,3 Prozent auf gut 1.840 Dollar, den höchsten Stand seit einer Woche.

An der Wall Street hatten Dow Jones und S&P-500 am Mittwoch die stärksten Tagesverluste seit etwa zwei Jahren erlitten. "Aus Angst vor Bremsspuren beim Wirtschaftswachstum und den Unternehmensgewinnen werden Aktien verkauft", sagte Marktstratege Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners, am Morgen.


   Alle großen Sektorenindizes im Minus 

Bei den europäischen Branchen liegen alle Stoxx-Sektoren-Indizes mehr oder weniger deutlich im Minus. Am besten hält sich noch der Index der Versorgertitel, er fällt um 0,8 Prozent. Er gilt als vergleichsweise konjunkturunabhängig, genau wie die Pharma-Aktien, deren Index 1,1 Prozent verliert und damit zumindest etwas glimpflicher davonkommt als der Gesamtmarkt. Am stärksten nach unten geht es mit den Indizes der Nahrungsmittel- und Getränke-Aktien sowie mit den Einzelhandelstiteln und den Herstellern von Konsumgütern des täglichen Bedarfs, wobei die Indexveränderungen allerdings von zahlreichen Dividendenabschlägen verzerrt werden. Im Unterschied zum deutschen Leitindex DAX werden die Stoxx-Indizes nicht um die Dividenden bereinigt. Im DAX werden am Donnerstag Deutsche Börse und SAP ex Dividende gehandelt.

Größte Verlierer im DAX sind somit Fresenius, die um 4,3 Prozent fallen. Deutsche Post folgen mit einem Minus von 3,9 Prozent. Grund ist unter anderem ein Minus von 13 Prozent im Kurs von Royal Mail in London. Das Paketgeschäft sei von der Coronakrise getrieben worden und habe den Aktienkurs nach oben geschoben, heißt es von AJ Bell. Jedoch bedrohten inflationäre Entwicklungen nun diesen Fortschritt und auch der Arbeitsfrieden sei in Gefahr. Die Lohnerhöhungen könnten nicht mit dem allgemeinen Preisanstieg mithalten, und auch die Aufforderung zu mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit, inklusive Sonntagsarbeit, kämen bei den Beschäftigten nicht gut an, heißt es weiter.

Auf der anderen Seite steigen Merck um 1,1 Prozent. RWE ziehen um 0,4 Prozent an auf 42,73 Euro, nachdem die Deutsche Bank das Kursziel auf 52 von 48 Euro erhöht hat.

Im SDAX fallen Ceconomy um 8,1 Prozent. Dem Handelsunternehmen machten die sich eintrübende Verbraucherstimmung, höhere Kosten und weltweite Lieferkettenprobleme bei Unterhaltungselektronik zu schaffen, heißt es von Seiten der Baader-Bank. Sie rät weiterhin zum "Reduzieren" der Ceconomy-Aktien.


   Dufry profitiert von Wiederbelebung des Reisegeschäfts 

Ordentliche Geschäftszahlen und optimistische Prognosen hat Duty-Free-Shop-Betreiber Dufry (-2,9%) vorgelegt. "Die Nach-Corona-Erholung zeigt sich auch hier deutlich", sagt ein Händler. Per Ende März seien 85 Prozent der Ladengeschäfte wieder geöffnet gewesen, was rund 90 Prozent des Umsatzpotenzials aus 2019 darstelle. Im Ausblick spricht Dufry von einer Fortsetzung des positiven Trends.

Gut kommt der Ausblick von Clariant an, die Aktien können sich allerdings dem Abwärtsdruck nicht entziehen und geben 1,5 Prozent ab. Für das Gesamtjahr 2022 strebt Clariant ein starkes LC-Wachstum bei gleichzeitiger Steigerung der EBITDA-Margen an.


   DWS wird Interesse an AGI nachgesagt 

Die Deutsche-Bank-Tochter DWS sei an einer Übernahme der Allianz-Fondstochter Allianz Global Investors (AGI) interessiert, sollte sich die Allianz offen für einen Verkauf zeigen, berichtet das Handelsblatt aus Kreisen. Denn nach dem Ende der Ermittlungen in den USA wegen fehlgeschlagener Hedgefonds-Strategien stelle sich bei der Allianz die Frage nach der Zukunft von AGI. Der seit zwei Jahren laufende Umstrukturierungsprozess könnte durch die Krise beschleunigt werden und vielleicht sogar in einer Übernahme durch einen Konkurrenten münden. Ein anderes Szenario sei eine Verschmelzung der AGI mit dem zweiten hauseigenen Vermögensverwalter der Allianz, dem amerikanischen Anleihehaus Pimco. DWS fallen um 1,7 und Allianz um 2,4 Prozent.

Gegen den schwachen Markt legen Schoeller-Bleckmann in Wien um 8 Prozent zu. Der Ölfeld-Ausrüster hat starke Geschäftszahlen für das erste Quartal vorgelegt. Der Auftragseingang wurde mehr als verdoppelt, der Umsatz legte um 70 Prozent zu. Im Ausblick spricht Schoeller von einer weiter steigenden Dynamik im ersten Quartal. Durch den Ukraine-Krieg würden weltweit wieder stärkere Investitionen in den Ölsektor vorgenommen.


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Aktienindex              zuletzt      +/- %       absolut      +/- % YTD 
Euro-Stoxx-50           3.624,18      -1,8%        -66,56         -15,7% 
Stoxx-50                3.531,04      -1,9%        -68,98          -7,5% 
DAX                    13.824,25      -1,3%       -183,51         -13,0% 
MDAX                   28.860,24      -0,8%       -241,24         -17,8% 
TecDAX                  3.012,64      -1,0%        -29,04         -23,2% 
SDAX                   13.086,31      -0,8%       -105,33         -20,3% 
FTSE                    7.269,57      -2,3%       -168,52          +0,7% 
CAC                     6.240,06      -1,8%       -112,88         -12,8% 
 
Rentenmarkt              zuletzt                  absolut        +/- YTD 
Dt. Zehnjahresrendite       0,95                    -0,08          +1,13 
US-Zehnjahresrendite        2,81                    -0,08          +1,30 
 
DEVISEN                  zuletzt      +/- %  Do, 9:27 Uhr  Mi, 17:20 Uhr   % YTD 
EUR/USD                   1,0570      +1,0%        1,0473         1,0500   -7,0% 
EUR/JPY                   134,55      +0,2%        134,38         134,79   +2,8% 
EUR/CHF                   1,0268      -0,7%        1,0289         1,0377   -1,0% 
EUR/GBP                   0,8454      -0,3%        0,8480         0,8464   +0,6% 
USD/JPY                   127,32      -0,8%        128,37         128,36  +10,6% 
GBP/USD                   1,2504      +1,3%        1,2350         1,2404   -7,6% 
USD/CNH (Offshore)        6,7303      -0,7%        6,7832         6,7681   +5,9% 
Bitcoin 
BTC/USD                29.619,47      +1,7%     29.211,40      28.941,58  -35,9% 
 
ROHOEL                   zuletzt  VT-Settl.         +/- %        +/- USD   % YTD 
WTI/Nymex                 107,94     109,59         -1,5%          -1,65  +47,1% 
Brent/ICE                 108,33     109,11         -0,7%          -0,78  +42,6% 
 
METALLE                  zuletzt     Vortag         +/- %        +/- USD   % YTD 
Gold (Spot)             1.843,94   1.816,61         +1,5%         +27,33   +0,8% 
Silber (Spot)              21,93      21,42         +2,4%          +0,51   -5,9% 
Platin (Spot)             960,42     938,90         +2,3%         +21,52   -1,0% 
Kupfer-Future               4,24       4,18         +1,4%          +0,06   -4,8% 
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DJG/hru/cln

(END) Dow Jones Newswires

May 19, 2022 10:10 ET (14:10 GMT)