Von Hans-Joachim Koch

FRANKFURT (Dow Jones)--Die jährliche Analyse der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) zur Vergütung bei den führenden deutschen Börsenunternehmen zeigt u.a., dass es solche und solche Angaben gibt, die aber jeweils richtig sind, dass erstmals Vorstandsfrauen im Durchschnitt mehr als ihre männliche Kollegen verdienen, dass sich die Gehaltskomponenten - möglicherweise vorübergehend - verschoben haben, dass ein US-CEO zum Milliardär wurde.

Die Erkenntnisse im Einzelnen:

1. Topverdiener 2020 im DAX ist Linde-CEO Stephen Angel, ...

... der mit 14 Millionen Euro den vorjährigen Erstplatzierten Herbert Diess verdrängte. Der landete mit 7,9 Millionen auf Platz drei, hinter Christian Klein von SAP. Im Durchschnitt erhielten die DAX-CEOs 5,4 Millionen Euro und damit etwas mehr als im Vorjahr. Getoppt wird dieser Mittelwert interessanterweise vom bestverdienenden Finanzvorstand aus der DAX-Gruppe: James von Moltke von der Deutschen Bank steht mit gut 5,9 Millionen Euro in der CFO-Liste ganz oben.

2. Warum gibt es massiv abweichende Angaben für Vorstandschefs?

Bei Angel ist die Vergütungssumme von 53,4 Millionen Euro für 2020 ebenfalls korrekt, die für Klein von 2,2 Millionen Euro ebenfalls. Unterschied ist der Blick nach vorne oder nach hinten bzw aus Kostensicht des Unternehmens oder Kontoeingang des CEO. DSW und Technische Universität München errechnen für ihre Studie die Zuwendungen, sprich das, was das Unternehmen als Kosten für den CEO kalkuliert. Berücksichtigt sind dabei auch Zusagen für die langfristigen Gehaltselemente, die erst in späteren Jahren ausgezahlt werden. Für den Zufluss, den die Beratung HKP für den höheren Wert bei Angel und den niedrigeren bei Klein heranzieht, ist die effektive Auszahlung in dem Jahr entscheidend. Die enthält aber auch in den Vergangenheit zugesagte leistungs- oder performanceabhängige Boni.

3. Spitzenreiter im MDAX ist Varta-Chef Herbert Schein ...

... mit 7,9 Millionen Euro, gefolgt von Thierry Bernard (Qiagen - 7,7 Millionen) und Frank Gotthardt (Compugroup - 5,6 Millionen). Absolutes Schlusslicht sind die Co-Vorsitzenden von Zalando mit gerade einmal 82.000 Euro an Zuwendungen, da sie nur Grundgehalt, aber keine Boni erhielten. Anderseits flossen ihnen aus in früheren Jahren gewährten Aktienpaketen und durch deren erhebliche Wertsteigerung zwischen gut 40 und 53 Millionen Euro zu.

4. Mehrere Vorstandsfrauen treiben weiblichen Durchschnitt

Es war eine Premiere, dass die Frauen in den Vorständen (ohne CEOs) erstmals im Durchschnitt mehr verdienten: 3,4 Millionen gegenüber 2,9 Millionen Euro für die Vorstandsmänner. Den Mittelwert deutlich beeinflusst haben wenige hochverdienende Damen, konkret bei der Deutschen Post, Merck und SAP. Die DSW betont, dass auf der Vorstandsebene kein "Gender-Pay Gap" zu erkennen sei, bezeichnet gleichzeitig den Frauen-Anteil in den Vorständen von derzeit 18 Prozent aber als "deutlich ausbaufähig".

5. Gutes Geld im Ruhestand

Anders als in den Vorjahren hielt sich die DSW diesmal mit scharfer Kritik an den teilweise sehr hohen Pensionszusagen zurück. Aber die Zahlen haben per se Aussagekraft. Bayer-Chef Werner Baumann (58) würde - Stand 2020 - bei Renteneintritt mit 60 Jahren knapp 1,3 Millionen Euro jährlich erhalten. Die Nummer 2, Frank Appel (59) von der Post, hätte bereits ab 55 Jahren Anspruch auf 1,03 Millionen Euro p.a.. Noch vor ihm liegt der inzwischen ausgeschiedene Elmar Degenhardt von Continental mit 1,1 Millionen Euro. Der Durchschnitt liegt bei 546.000 (2019: 571.000) bei einem Pensionsalter von 62 Jahren.

6. In Europa auf hohem Niveau, aber in den USA ...

... liegt die Spitze deutlicher höher. Unter den DJIA-Werten zahlte Nike seinem CEO Donahoe am meisten (umgerechnet 46,8 Millionen Euro), gefolgt von Microsoft-Chef Nadella (38,8 Millionen Euro). Himmelhoch darüber lag indes Palantir-CEO Karp mit 1,1 Milliarden Dollar, ein großer Teil davon aus Aktienoptionen. Topverdiener in Europa sind Bernhard Charles vom französischen Softwarehaus Dassault Systemes (20,5 Millionen Euro) und Daniel Julien (17 Millionen) von Teleperformance, einem Spezialisten für Kundenerfahrungsmanagement, ebenfalls aus Frankreich. Stephen Angel von Linde liegt auf Europa-Platz 4, Klein und Diess auf Rang 11 und 12. Mehr als an CEOs in Deutschland wird in der Schweiz gezahlt (6 Millionen Euro), weniger in Frankreich mit 4,5 Millionen. Auch die nicht-deutschen Euro-Stoxx-50 bleiben mit 4,7 Millionen Euro unter dem DAX-Mittelwert von 5,4 Millionen Euro.

6. Struktur der Vergütung verschiebt sich - nur vorübergehend?

Die Gesamtvergütung hat sich 2020 in ihren Anteilen verschoben, hin zu langfristigen Komponenten, die fast die Hälfte ausmachten. Ein Drittel ist Festgehalt und die Differenz die kurzfristige variable Vergütung. Im Jahr zuvor gab es eine fast gleichmäßige Verteilung auf die drei Elemente. Interessant werde 2021, so die DSW, denn der geringere Anteil der Kurzfrist-Komponenten 2020 hatte auch mit der coronabedingt schwächeren Unternehmensperformance zu tun. In diesem Jahr zeichnet sich hier jedoch eine deutliche Besserung ab.

7. Transparenz hat zugenommen

Zwar gibt es noch einige Baustellen, doch insgesamt wertet die DSW die Fortschritte bei der Transparenz positiv. 2021 markiere aber eine Zeitenwende: Mit gesetzlichen Änderungen werden Neuerungen wirken und den Einfluss der Aktionäre auf der Vergütung erhöhen. Möglich aber bleibt dennoch eine abstrakte Darstellung des Vergütungssystems, ohne absolute Zahlen, nur mit prozentualen Spannen. Einige Unternehmen berichteten für 2020 nicht mehr nach den Tabellen des etablierten Deutschen Corporate Governance Kodex, so dass teilweise keine Unterscheidung zwischen Zuwendungen und Zufluss möglich war. Und im MDAX gab es vier (Vorjahr: sechs) Konzerne, die die Vortstandsvergütung nicht individualisiert, sondern nur als Summe nannten.

Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com

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July 13, 2021 09:33 ET (13:33 GMT)