Von Hans-Joachim Koch

FRANKFURT (Dow Jones)--Ein Anstieg der Durchschnittsvergütung um knapp ein Viertel, eine Koppelung von Geschäftsentwicklung und Entlohnung, mehr Geld für weibliche Vorstände und ein Rückstand im internationalen Vergleich - das kennzeichnet den Vergütungsvergleich 2021 für die Vorstandsvorsitzenden der DAX-Unternehmen. Er wurde erstellt von der Technischen Universität München (TUM) und der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), die dabei auch die Transparenz der in den Geschäftsberichten genannten Daten nach einer ab Anfang 2021 geltenden Gesetzesänderung beleuchteten - mit einem ernüchternden Ergebnis. Das sind die interessantesten Antworten aus der Untersuchung:


Wer ist der Spitzenverdiener? 

Der Mann an der Spitze eines deutsch-amerikanischen DAX-Konzerns ist die klare Nummer 1. Steve Angel von Linde kam 2021 auf 19 Millionen Euro, gefolgt von dem bei Volkswagen inzwischen ausgeschiedenen Herbert Diess mit 12 Millionen Euro. Der war damit an dem 2020 noch Zweitplatzierten Christian Klein von SAP vorbeigezogen, der 9 Millionen Euro verdiente. Im Schnitt erhielten die DAX-Vorstandsvorsitzenden 6,1 Millionen Euro und damit 24 Prozent mehr als im Vorjahr und auch deutlich mehr als ihre Vorstandskolleginnen und -kollegen mit 3,5 Millionen Euro. Es war nach drei Jahren mit Rückgängen in Folge der erste Zuwachs.


Warum ging die Durchschnittsvergütung so deutlich nach oben? 

Auslöser waren deutliche Gewinnzuwächse der Unternehmen nach dem coronabedingten Einbruch. Die operativen Gewinne haben sich mehr als verdoppelt und 2021 zu einem Rekordjahr gemacht. Die Koppelung von Geschäftsentwicklung und Vergütung funktioniere also, so Gunther Friedl von TU München. Hinzu kamen der teilweise Verzicht von CEOs auf die Festvergütung 2020, aber auch die DAX-Erweiterung auf 40 Werte. Die hat bei neu aufgenommenen Unternehmen zu teilweise höheren Zahlungen an die Vorstände geführt.


Wer waren Gewinner und Verlierer im Gehaltsranking? 

Den größten Gehaltssprung legten Adidas-Chef Kasper Rorsted und sein Vorstandsteam hin mit 191 Prozent Plus. Kräftig zugelegt hat auch die Vergütung der Führungsteams bei Covestro (120 Prozent) und MTU (91 Prozent). Bei Adidas-Konkurrent Puma ging der Trend dagegen in die andere Richtung: Hier waren es 30 Prozent weniger. Ansonsten gab es nur noch bei Zalando (13 Prozent), SAP (8 Prozent) und Fresenius Medical Care (3 Prozent) Rückgänge.


Wo stehen weibliche DAX-Vorstände? 

Bei der durchschnittlichen Vergütung über ihren männlichen Kollegen, bei der Zahl aber deutlich dahinter. Die Vorständinnen kamen auf im Mittel 3,6 Millionen gegenüber 3,5 Millionen Euro. Sie besetzen aber nur ein Fünftel der Vorstandsposten, 80 Prozent sind somit in Männerhand. Nicht berücksichtigt sind in den Berechnungen die Vorstandschefs, da hier ein deutlicher Frauenmangel herrscht.


Wie hat sich die Gehaltsschere zwischen Vorständen und Belegschaft entwickelt? 

Angesichts der deutlich höheren Vergütung auf der Vorstandsebene hat sich der Abstand ausgeweitet. Im Schnitt verdienen Vorstände mit 3,9 Millionen Euro das 53-fache ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 2020 lag der Faktor noch bei 47.


Wie sieht die deutsche CEO-Vergütung im europäischen Vergleich aus? 

Aus Normalverdiener-Sicht natürlich hoch, aber niedriger verglichen mit CEO in der Schweiz, Frankreich und anderen europäischen Ländern und drastisch weniger gegenüber ihren US-Pendants. Dem deutschen Mittelwert von 6,1 Millionen Euro stehen 6,6 Millionen in der Schweiz (bezogen auf die SMI-Werte) gegenüber. An der Spitze eines französischen CAC-40-Wertes erhält man durchschnittlich 7,814 Millionen Euro - ein stattliches Plus von 76,5 Prozent zum Vorjahr. Bei den nicht-deutschen Unternehmen im EuroStoxx-50 sind es 8,531 Millionen Euro. Bei den beiden letzten schlägt jedoch ein beachtlicher Einmaleffekt zu Buche - bei der aus Peugeot und Fiat fusionierten Stellantis erhielt CEO Carlos Tavares einen sogenannten Transformationsbonus von 44,560 Millionen Euro. Aber auch ohne Stellantis lagen die Werte mit 6,273 bzw 6,723 Millionen oberhalb der deutschen.


Wie hoch ist der Mehrverdienst-Faktor beim DJIA-Chef? 

In ganz anderen Gehaltsdimensionen ist die Spitze der Unternehmen aus dem Dow-Jones-Index (DJIA) unterwegs. Deren durchschnittliche Vergütung beträgt umgerechnet 27,340 Millionen Euro, also das mehr als Vierfache als in "good old Germany". Auch das Plus 2021 zum Vorjahr war mit 41,3 Prozent deutlich höher als diesseits des Atlantiks. Fast Faktor 10 zur deutschen Nummer 1 steht beim US-Spitzenverdiener, Intel-CEO Patrick Giesinger, zu Buche, der auf 179 Millionen Dollar kam.


Hat die Gesetzesänderung mehr Transparenz geschaffen? 

Nein ist die harte wie klare Aussage von Gunther Friedl, Professor an der Technischen Universität München, der die Untersuchung für die DSW erstellt hat. "Statt gestiegener Transparenz und besserer Vergleichbarkeit" sehe man sich einem "kaum durchschaubaren Datendschungel gegenüber". Das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) habe dazu geführt, dass die meisten Unternehmen nicht mehr im Einklang mit den Mustertabellen des Deutschen Corporate Governance Kodex 2017 berichten.

Zum anderen wird der Begriff der "gewährten und geschuldeten Vergütung" von den Unternehmen sehr unterschiedlich interpretiert. Folge seien umfangreichere Berichte, doch die Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Gesellschaften ist in DAX und MDAX stark zurückgegangen. Folge daraus wiederum seien die geringen Zustimmungsquoten zu den Vergütungsberichten auf den Hauptversammlungen. Friedl sieht eine Lösung in europaweit einheitlichen Standards für die Vergütungsberichte. Darüber spricht die Europäische Kommission derzeit mit den Mitgliedsstaaten und Experten, auch von der DSW.


Wie stark sind ESG-Kriterien in den Vergütungssystemen berücksichtigt? 

Aus Sicht von DSW-Co-Geschäftsführerin Christiane Hölz ist deutlich geworden, dass innerhalb der Bemessungsgrundlagen zur Vorstandsvergütung die Rolle nicht-finanzieller ESG-Kriterien wichtiger wird. 90 Prozent der DAX-Unternehmen verwenden mindestens eines der drei ESG-Kriterien (Environmental, Social und Governance) und auch im MDAX sind es zumindest 72 Prozent. Im DAX finden sich lediglich vier Unternehmen, die 2021 keine ESG-Kriterien berücksichtigten: Delivery Hero, Porsche Automobil Holding, Sartorius und Zalando. In diesem Jahr hat das Quartett aber zu den übrigen Unternehmen aufgeschlossen. Sechs Unternehmen haben Kriterien aus lediglich einer Kategorie integriert, zwölf haben zwei und 15 alle drei Kriterien nachvollziehbar berücksichtigt.

Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com

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September 28, 2022 09:07 ET (13:07 GMT)