BERLIN (AFP)--Mit Hilfe von verflüssigtem Erdgas (LNG) will Deutschland unabhängig von russischen Gasimporten werden. Katar will nun mindestens 2 Millionen Tonnen LNG jährlich nach Deutschland liefern, und zwar ab 2026.

WELCHE VORTEILE HAT LNG?

Das Volumen von Erdgas verringert sich in flüssiger Form um das rund Sechshundertfache. So kann Flüssiggas ohne Pipeline in weit entfernten Ländern gekauft und per Schiff transportiert werden. Allerdings wird Erdgas erst bei etwa minus 162 Grad Celsius flüssig. Transport und Wiederaufbereitung sind also energieintensiv und technisch anspruchsvoll.

WELCHE INFRASTRUKTUR WIRD BENÖTIGT?

In LNG-Terminals wird das Flüssiggas erwärmt und verdichtet, so dass es wieder gasförmig wird. Anschließend kann es in Hochdrucknetze für den Handel oder den Weitertransport eingespeist werden. LNG kann an entsprechenden Terminals auch auf kleinere Schiffe, Lastwagen oder Güterwaggons verladen werden.

Deutschland setzt momentan auf Spezialschiffe, sogenannte Floating Storage and Regasification Units (FSRU), die LNG von Tankern aufnehmen und es noch an Bord in Gas umwandeln können. Diese schwimmenden Terminals sollen nach Angaben des Branchenverbands Zukunft Gas als Übergangslösung dienen, bis feste Industrieanlagen errichtet sind, sogenannte landbasierte LNG-Terminals. Davon sollen drei in den kommenden Jahren gebaut werden.

WIE WEIT IST DEUTSCHLAND?

Derzeit werden in Deutschland sechs Terminals realisiert. Die Bundesregierung hat als Reaktion auf ausbleibende Erdgaslieferungen aus Russland fünf schwimmende Flüssiggasterminals an den Küsten von Nord- und Ostsee angemietet - zwei für Wilhelmshaven, eins für Brunsbüttel, eins für Stade und eins für Lubmin. Die FSRU in Wilhelmshaven und Brunsbüttel sollen zum Jahreswechsel in Betrieb gehen. Hinzu kommt ein privatwirtschaftliches Projekt in Lubmin, dort ist eine Inbetriebnahme im Dezember geplant.

Flüssiggas kam hierzulande bislang in Ermangelung deutscher Anlagen über Terminals in Belgien, Frankreich und den Niederlanden an. Vier große deutsche Gasimporteure haben zugesichert, die in Deutschland stationierten Terminals bei Inbetriebnahme sofort maximal zu beliefern.

Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums haben die einzelnen Anlagen eine jährliche Kapazität von mindestens fünf Milliarden Kubikmetern Gas. Das von Regas privat betriebene Terminal in Lubmin will ab Dezember mindestens 4,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas ins deutsche Netz einspeisen. Laut Bundesregierung lässt sich über die schwimmenden Terminals der bisherige Gasbedarf Deutschlands zu rund einem Drittel decken.

WIE IST DIE LAGE IN ANDEREN LÄNDERN?

Andere EU-Länder sind bereits bedeutend weiter. Das erste Import-Terminal für Flüssiggas wurde 2016 in Portugal in Betrieb genommen. 2021 importierten 13 EU-Länder insgesamt 80 Milliarden Kubikmeter. In den ersten Monaten 2022 stiegen die Importe laut der Brüsseler Denkfabrik Bruegel stark an. Insbesondere aus den USA kam bedeutend mehr Gas.

2021 machten die LNG-Einfuhren 20 Prozent der gesamten Gaseinfuhren in die EU aus. Größte Importeure waren Spanien, Frankreich, Italien, die Niederlande und Belgien. Große Teile von Südosteuropa bis zum Baltikum und bislang auch Deutschland hatten wegen fehlender Infrastruktur jedoch kaum Zugang zu diese Einfuhren.

WOHER KOMMT DAS FLÜSSIGGAS?

Im Jahr 2021 kamen 28 Prozent der EU-LNG-Importe aus den USA, jeweils 20 Prozent kamen aus Katar und Russland. Weitere wichtige Lieferer sind Nigeria und Algerien. Katar ist bislang mit Abstand der größte LNG-Produzent weltweit und angesichts der aktuellen Energiekrise ein gefragter Vertragspartner.

WELCHE KRITIK GIBT ES IN DEUTSCHLAND?

Kritik an den LNG-Ausbauplänen kommt insbesondere von Umweltverbänden. Sie bemängeln zum einen, dass der Bau neuer Infrastruktur für einen fossilen Brennstoff dem Klimaneutralitätsziel der Bundesregierung widerspreche. Außerdem gibt es unmittelbare Umwelteinwände. Das Terminal in Wilhelmshaven könnte demnach etwa die heimische Schweinswalpopulation gefährden. Die Umweltschützer kritisieren vor diesem Hintergrund auch die angesichts der Gaskrise stark beschleunigten Genehmigungsverfahren für die neuen Projekte.

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November 29, 2022 08:31 ET (13:31 GMT)