PRAG (AFP)--Mehr als 40 europäische Staats- und Regierungschefs nehmen am Donnerstag in Prag am Gründungsgipfel der Europäischen Politischen Gemeinschaft teil. Der Gipfel im XXL-Format soll ein Zeichen der Einheit an den russischen Präsidenten Wladimir Putin senden.

Wer kommt zu dem Gipfel?

Auf der Prager Burg versammeln sich die Staats- und Regierungschefs von bis zu 44 Ländern: Neben den 27 EU-Staaten sind dies unter anderen die Beitrittskandidaten Ukraine und Moldau. Für die Ukraine wird Regierungschef Denys Schmyhal in Prag erwartet, Präsident Wolodymyr Selenskyj wird dazugeschaltet.

Zugesagt haben zudem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, die Spitzen der sechs Westbalkanstaaten und die britische Premierministerin Liz Truss. Für Deutschland nimmt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) teil.

Die verfeindeten Kaukasusrepubliken Armenien und Aserbaidschan sind ebenfalls dabei, ebenso wie die Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein. Für die EU-Institutionen sind Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel in Prag.

Was ist das Ziel des Gipfels?

"Angesichts der dramatischen Konsequenzen von Russlands Krieg für die europäischen Länder auf vielen Gebieten, gründen wir die Europäische Politische Gemeinschaft mit dem Ziel, Länder auf dem europäischen Kontinent zusammenzubringen und eine Plattform für politische Koordinierung zu bieten", heißt es in dem Einladungsschreiben von EU-Ratspräsident Michel. Europa lässt sich nicht spalten - diese Botschaft soll von dem Gipfel ausgehen.

Wer hatte die Idee?

Das neue Forum geht auf Emmanuel Macron zurück. Frankreichs Präsident hatte Anfang Mai bei einer Rede in Straßburg gesagt, es gehe angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine um "einen neuen Raum für politische Zusammenarbeit, Sicherheit und Kooperation". Der Europäischen Politischen Gemeinschaft sollten alle demokratischen Länder angehören, "die sich zu unserem Wertefundament bekennen", betonte Macron.

Um welche Themen geht es?

Im Zentrum stehen die Sicherheitslage in Europa im russischen Angriffskrieg sowie die weitere Unterstützung für die Ukraine. Macron will nach der vermuteten Sabotage an den Nord-Stream-Pipelines zudem die kritische Infrastruktur ansprechen. Angesichts des weitgehenden russischen Gaslieferstopps geht es auch um die Energieversorgung.

Wie läuft der Gipfel ab?

Das Treffen auf der Prager Burg beginnt mit einer Plenumssitzung. Danach folgen Arbeitsrunden zu Themen wie Sicherheit und Energieversorgung. Kanzler Scholz nimmt an einem Runden Tisch zum Thema "Energie und Klima und wirtschaftliche Situation" teil. Anschließend ist Zeit für bilaterale Begegnungen. Nach einem Abendessen der Staats- und Regierungschefs sind Pressekonferenzen geplant.

Welche Erwartungen gibt es an das Forum?

Befürworter sprechen von einer "historischen" Gelegenheit, alle europäischen Akteure außer Russland und Belarus zu versammeln. Sie halten Organisationen wie den Straßburger Europarat und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) angesichts des Kriegs für nicht mehr schlagkräftig genug.

Welche Kritik gibt es?

Manche fürchten, das neue Forum sei eine Art erweiterter Wartesaal, um EU-Anwärter wie die Ukraine zu vertrösten, deren Beitritt Jahrzehnte in Anspruch nehmen dürfte. Auch die Teilnahme autoritärer Staatschefs wie Ilham Alijew aus Aserbaidschan wirft Fragen auf.

Risiken liegen zudem in den Konflikten zwischen einigen der beteiligten Länder: Als heikel gilt das Zusammentreffen des türkischen Präsidenten Erdogan mit Griechen und Zyprern nach militärischen Drohgebärden im Mittelmeerraum. Auch für Schweden und Finnen ist das Treffen mit Erdogan delikat: Sie sind wegen ihres angestrebten Nato-Beitritts auf die Gunst des Nato-Mitgliedslandes Türkei angewiesen.

Ist der Gipfel eine einmalige Veranstaltung?

Nein, die Staats- und Regierungschefs der 44 Länder sollen sich "ein- oder zweimal im Jahr" treffen, wie ein EU-Beamter erklärte. Die britische Premierministerin Truss hat sich bereit erklärt, den nächsten Gipfel auszurichten.

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October 06, 2022 05:55 ET (09:55 GMT)