Kiew (Reuters) - In Russland hat es nach Angaben örtlicher Behörden erneut einen Angriff mit Drohnen auf ein Ziel der kritischen Infrastruktur gegeben.

Auf einem Flugplatz in der südwestrussischen Region Kursk geriet demnach bei einem Drohnenangriff ein Öltank in Brand. "Es gab keine Verletzten. Das Feuer ist lokal begrenzt. Alle Notfalldienste arbeiten vor Ort", schrieb der Gouverneur der Region, Roman Starowoit, am frühen Dienstagmorgen auf Telegram. Reuters konnte die Berichte zunächst nicht unabhängig überprüfen. Die Region grenzt an die Ukraine.

Am Montag lagen bereits russische Angaben über zwei ähnliche Vorfälle vor. Nach Angaben der Regierung in Moskau griff die Ukraine zwei russische Luftwaffenstützpunkte weit im Landesinneren mit Drohnen an. Dabei seien drei Soldaten getötet worden, teilte das russische Verteidigungsministerium mit. Vier weitere Menschen seien verletzt, zwei Flugzeuge leicht beschädigt worden. Die Drohnen seien in geringer Höhe geflogen und von der Luftabwehr abgeschossen worden. Die betroffenen Militärflugplätze liegen Hunderte Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt, auf einem sind Bomber der russischen Nuklearstreitkräfte stationiert. So weit im russischen Landesinneren gab es seit Kriegsbeginn noch keine Angriffe des ukrainischen Militärs. Die ukrainische Regierung äußerte sich zunächst nicht direkt dazu.

Gemeldet wurden die Angriffe einerseits auf dem Stützpunkt Djagilewo in der Region Rjasan, 185 Kilometer südöstlich von Moskau. Dort soll es der amtlichen Nachrichtenagentur RIA zufolge bei der Explosion eines Tanklasters die drei Todesopfer gegeben haben. Zudem sei der Luftwaffenstützpunkt Engels in der Region Saratow 730 Kilometer südöstlich der Hauptstadt beschossen worden. Dies ist einer von zwei russischen Luftwaffenstützpunkten der strategischen Nuklearstreitkräfte. Die "New York Times" zitierte einen ranghohen ukrainischen Vertreter mit der Aussage, die Drohnen bei den Angriffen am Montag seien von ukrainischem Gebiet aus gestartet worden. Mindestens einer der Angriffe sei zudem mit Hilfe von Spezialkräften an dem Stützpunkt ausgeführt worden.

MINDESTENS VIER TOTE BEI RAKETENBESCHUSS IN DER UKRAINE

Das russische Verteidigungsministerium erklärte, das ukrainische Militär habe versucht, die Kampfhandlungen der russischen Langstreckenluftwaffe durch einen Terrorakt zu stören. Dennoch sei es Russland am Montag erneut gelungen, die ukrainische Militär- und Energieinfrastruktur anzugreifen. Dabei seien alle 17 anvisierten Ziele getroffen worden. Die Ukraine erklärte dagegen, mehr als 60 von über 70 abgefeuerten russischen Raketen seien abgeschossen worden. Mindestens vier Menschen seien allerdings bei den Angriffen getötet worden, teilte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit.

"In vielen Regionen wird es Notfall-Blackouts geben müssen", sagte Selenskyj in seiner nächtlichen Videobotschaft mit Blick auf die prekäre Lage der Energieversorgung. "Wir werden alles dafür tun, Stabilität wiederherzustellen." Zuletzt hatte Russland immer wieder gezielt die Energie- und Wasserversorgung in der Ukraine mit Raketen attackiert, nachdem sich die russischen Bodentruppen aus einigen besetzten Gebieten hatten zurückziehen müssen. Die Ukraine und der Westen werfen Russland angesichts des nahenden Winters vor, Kälte als Waffe einzusetzen und dabei Kriegsverbrechen zu begehen. Russland weist diese Darstellung zurück.

"MEINE ZWEI NACHBARN WURDEN GETÖTET"

Im Osten der Ukraine gingen die Kämpfe am Boden unterdessen unvermindert weiter. Das urkainische Militär teilte am Dienstag mit, die Streitkräfte hätten in der Region Donezk in den vergangenen 24 Stunden russische Angriffe auf sieben Ortschaften zurückschlagen können. Dazu gehöre auch die Stadt Bachmut. Der ukrainische Präsidentenberater Olexij Arestowitsch sagte auf YouTube, russische Soldaten hätten versucht, Straßen nach Bachmut von Westen und Nordwesten aus zu blockieren. Der Governeur von Donezk, Pawlo Kyrylenko, sagte im ukrainischen Fernsehen, es seien nur noch rund 12.000 Menschen in Bachmut. Vor dem Krieg hatte die Stadt 80.000 Einwohner. Gas und Strom gebe es nicht.

In der Region Saporischschja im Süden der Ukraine wurden bei Raketenangriffen am Montag nach ukrainischen Angaben mindestens zwei Menschen getötet und mehrere Häuser zerstört. Auf Video-Material von Reuters waren zwei Tote an einem zerstörten Auto in der Ortschaft Nowosofijwka rund 25 Kilometer östlich der Stadt Saporischschja zu sehen. "Meine zwei Nachbarn wurden getötet", sagte die 62-jährige Olha Troschyna. "Sie standen bei ihrem Auto und sahen hinter ihrem Sohn und der Schwiegertochter hinterher." Die ukrainischen Regionen Saporischschja und Donezk wurden wie Cherson und Luhansk von der Russischen Föderation völkerrechtswidrig annektiert.

(Reuters-Büros; Bearbeitet von Christian Götz und Alexander Ratz; redigiert von Christian Rüttger; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

- von Pavel Polityuk und Oleksandr Kozhukhar