Berlin/Brüssel (Reuters) - Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich optimistisch geäußert, dass sich die EU auf einen Preisdeckel für russisches Öl einigen kann.

"Ich bin ganz zuversichtlich, dass wir dies bald miteinander hinkriegen", sagte Scholz am Mittwochabend in Berlin und verwies auf laufende Verhandlungen in Brüssel. Es gehe darum, eine Lösung zu finden, die Russland treffe ohne zu große Nachteile für die EU-Staaten zu haben. Auch im G7-Rahmen wird über eine Ölpreisbremse gesprochen worden, auf die etwa die USA drängen. Umstritten ist aber nicht nur, was passiert, wenn nicht alle Einkaufsländer mitmachen. Bisher hat man auch keine Einigkeit über die Höhe des Preisdeckels für russisches Öl erzielt. Im G7-Rahmen werde an einen Deckel zwischen 65 und 70 Dollar pro Barrel Öl gedacht, sagte ein mit den Verhandlungen vertrauter Diplomat.

"Polen, Litauen und Estland halten den Preis für zu hoch, weil sie ihn an den Produktionskosten orientieren wollen, während Zypern, Griechenland und Malta ihn für zu niedrig halten, weil die Gefahr besteht, dass ihre Schiffe noch mehr entladen werden, was bedeuten könnte, dass die G7 einen guten Mittelweg gefunden hat", sagte ein EU-Diplomat.

Etwa 70 bis 85 Prozent der russischen Rohölexporte werden mit Tankschiffen und nicht über Pipelines befördert. Die Idee der Preisobergrenze besteht darin, Schifffahrts-, Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen zu verbieten, russische Rohöltransporte rund um den Globus abzuwickeln - es sei denn, das Öl wird zu einem Preis verkauft, der nicht über dem von der G7 und ihren Verbündeten festgelegten Höchstpreis liegt. Da die wichtigsten Schifffahrts- und Versicherungsunternehmen der Welt ihren Sitz in den G7-Ländern haben, würde die Preisobergrenze es Moskau sehr schwermachen, sein Öl - seinen größten Exportartikel, der etwa zehn Prozent des weltweiten Angebots ausmacht - zu einem höheren Preis zu verkaufen, lautet die Überlegung.

Da die russischen Produktionskosten aber auf etwa 20 Dollar pro Barrel geschätzt werden, würde die Preisobergrenze den Verkauf von russischem Öl dennoch rentabel machen und auf diese Weise einen Versorgungsengpass auf dem Weltmarkt verhindern.

Zyperns Präsident Nikos Anastasiadis warnte nach dem Gespräch mit Scholz vor einer Wettbewerbsverzerrung. In Anspielung auf das Nachbarland Türkei sagte er, ein Preisdeckel müsse auch für Staaten gelten, die Mitglied der EU werden wollten oder Nato-Mitglied seien. Es könne nicht sein, dass diese Staaten um Investitionen aus Russland werben würden, während andere Länder Sanktionen gegen Russland beschlössen. Hintergrund sind die weiter relativ guten Beziehungen der Türkei und Russlands. Anastasiadis sagte mit Blick auf die früheren hohen russischen Investitionen auf Zypern, dass diese bereits seit der Finanzkrise deutlich zurückgegangen seien. Das EU-Land könne deshalb die EU-Sanktionen gegen Moskau ohne Probleme umsetzen.

(Bericht von Andreas Rinke, Jan Strupcewski; Redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)