Lwiw/Kiew (Reuters) - Der ukrainisch Präsident Wolodymyr Selenskyj stimmt seine Bevölkerung angesichts des anhaltenden russischen Beschusses der kritischen Infrastruktur auf dunkle und kalte Tage ein.

Er erwarte in den kommenden Tagen weiteren Raketenbeschuss, sagte Selenskyj in seiner nächtlichen Videobotschaft. "Wir sehen, dass die Terroristen neue Angriffe planen, dass wissen wir als Fakt", sagte Selenskyj. "Und so lange sie Raketen haben, so lange werden sie leider keine Ruhe geben." Nach den Angriffen der vergangenen Tage sind viele Menschen im ganzen Land ohne Heizung, Wasser und Strom.

In Kiew fiel am Sonntag Schnee, die Temperaturen lagen um den Gefrierpunkt. Millionen Menschen in der Hauptstadtregion waren von der Energieversorgung abgeschnitten. Die Behörden erklärten, die Reparaturen der Anlagen liefen auf Hochtouren, angesichts des hohen Verbrauchs seien aber weitere Blackouts nicht auszuschließen. Die ukrainische Regierung wirft Russland vor, mit gezielten Angriffen auf die Energieversorgung die Zivilbevölkerung treffen zu wollen, was ein Kriegsverbrechen sei. Russland hat die Angriffe auf die Stromversorgung als Strategie angekündigt, weist den Vorwurf aber zurück, dabei die Zivilbevölkerung ins Visier zu nehmen.

Der zunehmend einsetzende Winter hat auch Auswirkungen auf die Frontlinien im Süden und Osten der Ukraine. Nach den wochenlangen Erfolgen der ukrainischen Streitkräfte scheint der russische Rückzug zum Erliegen gekommen zu sein. Die Kämpfe konzentrieren sich vielerorts um die von beiden Seiten befestigten Schützengräben und werden zunehmend zum Stellungskrieg. Selenskyj berichtete von schweren Kämpfen in der von Russland völkerrechtswidrig annektierten Region Donezk, westlich der gleichnamigen Provinzhauptstadt. Der ukrainische Generalstab teilte mit, russische Angriffe hätten im Gebiet der Städte Bachmut and Awdijiwka zurückgeschlagen werden können.

Dem ukrainischen Militäranalysten Oleg Schdanow zufolge halten die schweren Kämpfe auch in der im Nordosten gelegenen Region Charkiw an. Umkämpft sind demnach Gebiete, die die ukrainischen Truppen im September und Oktober zurückerobert hatten. Das Präsidialamt in Moskau dementierte Berichte, Russland plane den Rückzug vom Atomkraftwerk Saporischschja. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte vor der Presse, dafür gebe es keine Anzeichen, und diese werde es auch nicht geben. Auch die Verwaltung der russischen Besatzung, das AKW bleibe unter russischer Kontrolle.

(Bericht von Maria Starkova, Tom Balmforth, Oleksandr Kozhukhar and Pavel Polityuk; Bearbeitet von Alexander Ratz; Redigiert von; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)