Pressemitteilung

Luxemburg, den 23. Januar 2018

Verfahren bei einem makroökonomischen

Ungleichgewicht: gut ausgestaltet, doch nicht wirksam umgesetzt, so das Fazit der EU-Prüfer

Die Europäische Kommission setzt das Verfahren bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht (Macroeconomic Imbalance Procedure, MIP) derzeit nicht so um, dass eine wirksame Vermeidung und Korrektur von Ungleichgewichten sichergestellt ist. Zu dieser Einschätzung gelangt der Europäische Rechnungshof in einem neuen Bericht. Die Prüfer kommen zu dem Schluss, dass das MIP im Allgemeinen gut ausgestaltet ist und auf qualitativ hochwertigen Analysen beruht. Jedoch ist der Prozess in einigen wichtigen Phasen in erster Linie politisch, nicht fachlich.

Die von der Kommission vorgelegten länderspezifischen Empfehlungen sind ein zentrales Instrument zur Bewältigung makroökonomischer Ungleichgewichte. Wie die Prüfer feststellen, wurden jedoch nur sehr wenige dieser Empfehlungen in wesentlichem Ausmaß umgesetzt. Zwar obliegt die Umsetzung den Mitgliedstaaten, doch weist die Formulierung durch die Kommission mehrere Schwachstellen auf, die ihrerseits zu dieser mangelnden Umsetzung beitragen.

Die Empfehlungen gehen nicht auf die ermittelten Ungleichgewichte und eine Analyse möglicher politischer Optionen zur Reduzierung dieser Ungleichgewichte innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens zurück, so die Prüfer. Stattdessen werden verschiedene Reformen, die sich aus der Agenda für Europa 2020 herleiten, als relevant für die Verringerung von Ungleichgewichten bezeichnet. Dies führt dazu, dass einige Empfehlungen nur in einem entfernten Zusammenhang mit makroökonomischen Ungleichgewichten stehen, wenn überhaupt. Dadurch wird es schwieriger, in den Mitgliedstaaten öffentliche Unterstützung für Abhilfemaßnahmen zu erhalten. Außerdem wird die Haushaltspolitik trotz ihrer Bedeutung für externe Ungleichgewichte und Wettbewerbsfähigkeit in den MIP-relevanten Empfehlungen nicht berücksichtigt.

Die Prüfer stellen fest, dass die Kommission nie die Einleitung eines Verfahrens bei einem übermäßigen Ungleichgewicht (Excessive Imbalance Procedure, EIP) empfohlen hat; dabei handelt es sich um ein striktes Überwachungssystem, das die Option einschließt, Sanktionen gegen Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets zu verhängen. Eine entsprechende Empfehlung blieb aus, obwohl bei mehreren Mitgliedstaaten über längere Zeiträume hinweg übermäßige Ungleichgewichte festgestellt wurden.

"Die systematisch unterbliebene Einleitung des EIP hat die Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit des MIP verringert", so Neven Mates, das für den Bericht zuständige Mitglied des Europäischen Rechnungshofs. "Im Zuge der Prüfung durch den Hof legte die Kommission nur wenige Nachweise vor, die erklären könnten,

Diese Pressemitteilung enthält die Hauptaussagen des Sonderberichts des Europäischen Rechnungshofs.

Bericht im Volltext unterwww.eca.europa.eu.

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warum das Kollegium nie die Einleitung eines EIP vorschlug."

Die Art und Weise, wie die Kommission Ungleichgewichte einstuft, hat das MIP weiter geschwächt. Zwar werden Ungleichgewichte auf der Grundlage klarer fachlicher Kriterien ermittelt, doch wird ihr Schweregrad nicht klar bewertet. Die Kriterien, die den endgültigen Entscheidungen des Kollegiums der Kommissionsmitglieder zugrunde liegen, sind nicht transparent. Darüber hinaus deuten die Prüfungsnachweise darauf hin, dass es an einem formellen Prozess zur Entscheidungsfindung auf politischer Ebene mangelt.

Die eingehenden Überprüfungen der Kommission waren qualitativ hochwertig, so die Prüfer. Dadurch, dass die vollumfänglichen eingehenden Überprüfungen durch eine Zusammenfassung in den Länderberichten ersetzt wurden, wurde jedoch die Sichtbarkeit des MIP-Prozesses insgesamt verringert, und die Analyse der politischen Optionen zur Bewältigung der ermittelten Ungleichgewichte hat nun keinen hohen Stellenwert mehr oder fehlt gänzlich.

Darüber hinaus werden einige Elemente wie beispielsweise Spill-over-Effekte auf andere Mitgliedstaaten sowie die Dimension des Euro-Währungsgebiets nicht besonders eingehend behandelt, wobei jedoch in jüngster Zeit einige Verbesserungen erreicht wurden.

Die Prüfer empfehlen der Kommission,

  • einen klaren Zusammenhang zwischen MIP-relevanten Empfehlungen und spezifischen makroökonomischen Ungleichgewichten herzustellen;

  • in ihren eingehenden Überprüfungen eine klare Beschreibung des Schweregrads der

Ungleichgewichte vorzulegen, mit denen die Mitgliedstaaten konfrontiert sind;

  • sofern nicht spezifische Umstände dagegen sprechen, die Einleitung eines EIP zu empfehlen, wenn in einem Mitgliedstaat Hinweise auf übermäßige Ungleichgewichte vorliegen;

  • das MIP zu nutzen, um den Mitgliedstaaten haushaltspolitische Empfehlungen vorzulegen, wenn sich die Haushaltspolitik unmittelbar auf externe Ungleichgewichte und Wettbewerbsfähigkeit auswirkt;

  • im Rahmen des MIP-Prozesses Strategien mit länderübergreifenden Auswirkungen, die zur symmetrischen Wiederherstellung des Gleichgewichts innerhalb des Euro-Währungsgebiets beitragen können, explizit zu berücksichtigen;

  • wenn sie Ungleichgewichte als übermäßig einstuft, dafür zu sorgen, dass die zuständigen Kommissionsmitglieder den Parlamenten der Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen, um die MIP-relevanten politischen Empfehlungen zu erläutern;

  • dem MIP dadurch einen höheren Stellenwert zu verleihen, dass alle Aspekte der Kommunikation verbessert werden.

Hinweise für den Herausgeber

Das Verfahren bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht (MIP) wurde 2011 zur Bewältigung makroökonomischer Ungleichgewichte in der EU eingeführt. Damit sollte auf das Fehlen politischer Instrumente, die die Entstehung solcher Ungleichgewichte vor der Krise 2008 hätten verhindern können, reagiert werden.

Das MIP basiert auf einem jährlichen Zyklus. Am Anfang des Verfahrens erfolgt die Veröffentlichung einer wirtschaftlichen und finanziellen Bewertung durch die Europäische Kommission, die als Warnmechanismus-Bericht bezeichnet wird. Darin werden die Mitgliedstaaten mit potenziellenUngleichgewichten ermittelt, die eine weitere Analyse im Rahmen einer eingehenden Überprüfung erfordern. Zweck der Überprüfung ist es festzustellen, ob in den ausgewählten Mitgliedstaaten Ungleichgewichte vorliegen und ob diese als übermäßig einzustufen sind. Die Europäische Kommission sollte auf der Grundlage dieser Überprüfung länderspezifische Empfehlungen vorlegen, die vom Rat verabschiedet und den Mitgliedstaaten übermittelt werden, damit diese ihre Ungleichgewichte angehen.

Falls sie die Ungleichgewichte für übermäßig hält, sollte die Kommission die Einleitung eines Verfahrens bei einem übermäßigen Ungleichgewicht durch den Rat vorschlagen. Dabei handelt es sich um einen Mechanismus für eine verstärkte Überwachung, der u. a. das Verhängen von Sanktionen ermöglicht.

Der Sonderbericht Nr. 3/2018 "Prüfung des Verfahrens bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht (MIP)" ist in 23 EU-Sprachen auf der Website des Hofes (eca.europa.eu) abrufbar.

European Court of Auditors veröffentlichte diesen Inhalt am 23 Januar 2018 und ist allein verantwortlich für die darin enthaltenen Informationen.
Unverändert und nicht überarbeitet weiter verbreitet am 23 Januar 2018 10:35:01 UTC.

Originaldokumenthttps://www.eca.europa.eu/Lists/ECADocuments/INSR18_03/INSR_MIP_DE.pdf

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