Deutschlands kränkelnde Wirtschaft erlebt einen holprigen Start ins Jahr. Die Landwirte haben landesweite Proteste gegen die von der Regierung geplante Kürzung der Dieselsubventionen gestartet und die Lokführer planen mehrtägige Streiks wegen Lohnstreitigkeiten.

Die größte europäische Volkswirtschaft war im vergangenen Jahr die schwächste unter den großen Ländern der Eurozone, da hohe Energiekosten, schwache globale Aufträge und rekordhohe Zinssätze ihren Tribut gefordert haben.

Die Regierung erlitt dann im November einen schweren Schlag, als das oberste deutsche Gericht ihre Haushaltspläne für 2024 verwarf und damit ein entzweites politisches Gerangel darüber auslöste, wie eine Finanzierungslücke von 17 Milliarden Euro (18,6 Milliarden Dollar) geschlossen werden soll.

Auch die langfristigen strukturellen Probleme im Zusammenhang mit den Arbeitskräften und der Infrastruktur in Deutschland bleiben ungelöst.

Der Internationale Währungsfonds prognostiziert, dass Deutschland die einzige G7-Volkswirtschaft sein wird, die 2023 schrumpft, und dass das Wachstum 2024 mit 0,9% deutlich unter dem Durchschnitt der fortgeschrittenen Volkswirtschaften von 1,4% liegen wird.

Hier sind einige der Herausforderungen, denen sich die deutsche Wirtschaft im Jahr 2024 stellen muss:

PROTESTE

Die Koalition von Bundeskanzler Olaf Scholz hat in ihrem eilig überarbeiteten Haushalt die Vorschläge zur Kürzung der Diesel-Subventionen verwässert. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes sagte jedoch, dies gehe nicht weit genug und hielt an den Plänen für bundesweite Kundgebungen in dieser Woche fest.

Auch der von der Lokführergewerkschaft GDL ausgerufene Weihnachtsstillstand endete am Montag. Die GDL plant einen mehrtägigen Streik, da der Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn anhält.

Die Deutsche Bahn hat am Freitag ein neues Angebot vorgelegt, von dem sie sich eine Beilegung des Konflikts erhofft, beantragt aber auch eine einstweilige Verfügung, um den Arbeitskampf zu stoppen. Die GDL prüft das neue Angebot.

HAUSHALTSTURM

Die Drei-Parteien-Koalition von Scholz hat im Dezember nach wochenlangen Verhandlungen eine Einigung über die Eckpunkte des Haushaltsentwurfs für 2024 bekannt gegeben, nachdem das Urteil des Verfassungsgerichts die Finanzen der Regierung in Unordnung gebracht hatte.

Wie von Finanzminister Christian Lindner, einem Verfechter der Haushaltsdisziplin, angestrebt, wird Deutschland seine Obergrenze für die Nettoneuverschuldung im Jahr 2024 wieder einführen und Finanzierungslücken im Wert von insgesamt 17 Milliarden Euro größtenteils durch Einsparungen schließen.

Dies wird das ohnehin schon schwache Wachstum weiter belasten. Drei führende deutsche Wirtschaftsinstitute haben ihre Prognosen für das Wirtschaftswachstum 2024 gesenkt, weil die Haushaltskrise die Erholung verzögert.

Das Ifo erwartet nun für Deutschland ein Wachstum von 0,9% statt 1,4% im nächsten Jahr, während das RWI seine Prognose von 1,1% auf 0,8% und das DIW von 1,2% auf 0,6% gesenkt hat.

"Die Unsicherheit verzögert derzeit den Aufschwung, da sie die Sparneigung der Verbraucher erhöht und die Investitionsbereitschaft von Unternehmen und privaten Haushalten verringert", sagte Timo Wollmershaeuser, Leiter der Ifo-Prognoseabteilung.

GESCHWÄCHTE KOALITION

Das Haushaltsgerangel hat die Spannungen in der ohnehin schon lieblosen Dreierkoalition noch verstärkt und Umfragen zeigen, dass die großen Gewinner der Krise die oppositionellen Konservativen und die rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) sind.

Die zunehmenden Spannungen und die Notwendigkeit, sich auf den Abschluss der Haushaltsvereinbarung für 2024 zu konzentrieren, verzögern die Strukturreformen, die die Regierung bei ihrem Amtsantritt versprochen hatte. Dazu gehören der Abbau von Bürokratie, die Einführung des Online-Zugangs zu Hunderten von Behördendiensten, die Verwirklichung der ehrgeizigen Pläne für eine Netto-Null-Emission und die Modernisierung des öffentlichen Nahverkehrs.

STRUKTURELLE PROBLEME

Wie andere Industrieländer auf der ganzen Welt hat auch Deutschland mit einem großen Arbeitskräftemangel zu kämpfen, insbesondere in qualifizierten, wachstumsstarken Branchen. Offiziellen Schätzungen zufolge werden der alternden Gesellschaft in Deutschland bis 2035 7 Millionen qualifizierte Arbeitskräfte fehlen.

Die Regierung will die Zuwanderung aus Ländern außerhalb der EU fördern, um den Arbeitskräftemangel zu beheben.

Trotz der Reform der Einwanderungs- und Staatsbürgerschaftsgesetze im Jahr 2023 warnen Experten davor, dass der Fortschritt nur langsam vonstatten gehen könnte. Sie weisen darauf hin, dass Teile des deutschen Verwaltungsapparats bereits unter einem großen Rückstau an bestehenden Staatsbürgerschaftsanträgen ächzen.

Bürokratie und mangelnde Investitionen sind zwei chronische Probleme der deutschen Wirtschaft, die die Energiewende und die Einführung von Hochgeschwindigkeits-Internetverbindungen verlangsamen.

Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, seine Treibhausgasemissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 65% zu senken, um bis 2045 kohlenstoffneutral zu werden.

Um die CO2-Ziele für 2030 zu erreichen, ist eine staatliche Finanzierung erforderlich, die deutlich knapper geworden ist, nachdem das Gerichtsurteil 60 Milliarden Euro ungenutzter Schulden, die für Klimaprojekte vorgesehen waren, gestrichen hat.

HANDEL

Die deutsche Wirtschaft ist stark handelsorientiert und reagiert daher empfindlich auf internationale Ereignisse, die die Auslandsnachfrage schwächen.

Ein schwaches globales Wachstum, insbesondere in China, sowie hohe Zinssätze dürften die Nachfrage nach deutschen Exporten dämpfen.

Die Unterbrechung der Schifffahrt im Roten Meer und die eskalierenden Spannungen im Nahen Osten könnten die Handelsaussichten weiter eintrüben.

"Wie der Rest der deutschen Wirtschaft bleibt auch der Export in der Dämmerzone zwischen Rezession und Stagnation stecken", sagte Carsten Brzeski, globaler Leiter der Makroabteilung bei ING. ($1 = 0,9139 Euro) (Berichterstattung von Maria Martinez; Redaktion: Toby Chopra)