Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--"2021 wird ein Pandemie-Jahr". Diese jüngste Aussage von EZB-Direktor Fabio Panetta sagt eigentlich schon alles darüber, was die Europäische Zentralbank (EZB) im nächsten Jahr tun wird: Den Fuß auf dem geldpolitischen Gaspedal halten. Was Panetta, die am deutlichsten vernehmbare "Taube" im EZB-Rat, meint: Wirtschaft und Märkte sollen sich darauf verlassen können, dass die EZB im nächsten Jahr eher mehr als weniger machen wird. Es soll Vertrauen geschaffen werden, damit Konsum und Investitionen in Gang kommen.

Nach Ansicht von Ökonomen zeichnet sich für 2021 makroökonomisch grob folgendes Bild ab: Europas Erholung vom Lockdown der ersten Corona-Welle wurde im Herbst von einer zweiten Welle unterbrochen. Deren Auslaufen wird für das Frühjahr erwartet. Die dann steigenden Temperaturen senken die Anfälligkeit der Menschen für Infektionen generell, und außerdem wird ein Impfstoff verfügbar sein. Allerdings dürften die Infektionszahlen zumindest anfänglich noch höher sein als in diesem Jahr.


   EZB will für günstige Finanzierungsbedingungen sorgen 

Die meisten Ökonomen erwarten aber, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Euroraums nach Rückgängen im vierten und im ersten Quartal ab dem Frühjahr stark steigen wird, angetrieben von Nachholeffekten. Trotz starker BIP-Zuwächse und basisbedingt deutlich höherer Inflationsraten wird die EZB ihre milliardenschweren Anleihekäufe aber fortsetzen, um den Banken und damit der Wirtschaft, den Haushalten und nicht zuletzt den Regierungen ein niedriges Zinsniveau zu sichern.

Dies soll so lange geschehen, bis die "Corona-Krisenphase" nach Meinung der EZB vorbei ist. Das bedeutet, dass die Inflation mindestens auf ihren vor der Pandemie zu beobachtenden Pfad zurückkehren muss, der einen Anstieg in Richtung 2 Prozent auch erst für 2022 verhieß. Damit ist klar: Die Zinsen bleiben zumindest da, wo sie derzeit sind, und die Anleihekäufe im Rahmen ihres Pandemiekaufprogramms PEPP fährt die EZB je nach Entwicklung der Marktzinsen hoch oder herunter.

Was könnte die EZB dazu bringen, ihre Geldpolitik 2021 weiter zu lockern? Da wäre an erster Stelle der Euro-Wechselkurs zu nennen. Sollte er rasch weiter steigen, würde die EZB möglicherweise den Einlagenzins weiter senken und dies eventuell mit einer stärkeren Freistellung der Banken von diesem Zins flankieren.

Auch eine Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen käme als Grund für geldpolitische Lockerungen in Betracht. Die würde die EZB aber wohl mit ihrem inzwischen bewährten Instrumentarium aus Langfristtendern und Anleihekäufen beantworten. Genügend Spielraum hat sie nach der Aufstockung des PEPP um 500 Milliarden Euro vorerst.


   Ergebnisse der Strategieprüfung frühestens zur Jahresmitte 

Was die Strategieprüfung an konkreten Änderungen bringen wird, ist noch nicht abzusehen. Die Ergebnisse sollen frühestens zur Jahresmitte vorliegen. Relativ wenig umstritten ist, dass die EZB ihr Inflationsziel von "unter, aber nahe" auf glatt 2 Prozent ändern wird. Das ist einerseits als Konzept leichter der Öffentlichkeit zu erklären.

Andererseits legt die EZB eine noch größere Betonung auf die Tatsache, dass sie keine zu niedrigen oder gar negativen Inflationsraten sehen will. Das versucht sie bereits jetzt auszudrücken, indem sie von einem "symmetrischen" Inflationsziel spricht. Tendenziell spricht dies für eine noch länger andauernde ultralockere Geldpolitik.

Offen ist, ob die EZB, ähnlich wie die US-Notenbank zusagen wird, nach längeren Phasen zu niedriger Inflationsraten solche mit erhöhten Inflationsraten zuzulassen. Fraglich ist auch, ob und wie die Kosten selbst genutzten Wohneigentums in den Lebenshaltungskosten berücksichtigt werden sollen sowie ob und wie die EZB künftig die Herausforderungen des Klimawandels in ihrer Geldpolitik berücksichtigt.

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January 04, 2021 06:00 ET (11:00 GMT)