FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 1. Dezember 2021. FRANKFURT. Professionelle Anleger nehmen Gewinne aus den Short-Positionen mit und private wirken ratlos. Ist dies weiterhin nur eine Korrektur?

Es ist gerade einmal eine Woche her - der DAX befand sich gerade auf dem Rückzug -, da fragten sich nicht wenige Investoren, wo man im Falle einer Korrektur wieder in den Aktienmarkt einsteigen könne. Um möglicherweise noch rechtzeitig an einer Jahresschlussrallye teilnehmen zu können. Nun ist es inzwischen nicht nur zur bislang größten, sondern auch zur schärfsten Abwärtsbewegung des DAX in diesem Jahr gekommen: Die neu aufgetauchte Variante des Coronavirus mit der Bezeichnung Omikron hat zumindest temporär für starke Ängste und Verunsicherung der Investoren gesorgt.

Und damit ging wohl die Sorge manches Börsianers einher, ob dieses Mal alles anderen kommen und der Einstieg in die Schwäche sich womöglich - nach all den positiven Erfahrungen mit vorherigen Rücksetzern während der vergangenen zwölf Monate - am Ende gar als Fehler herausstellen könnte. Wo doch gestern auch noch Fed-Chef Jerome Powell bei seiner Anhörung vor dem Bankenausschuss des US-Senats den Eindruck vermittelte, die US-Notenbank könnte trotz der neuen Covid-19-Variante ihr Tempo beim Zurückfahren der Anleihekäufe (Tapering) deutlich erhöhen. Kurzum: In der Wahrnehmung vieler Anleger dürften sich die Marktrisiken aktuell deutlich vergrößert haben.

Optimistisch aus verschiedenen Gründen

Vergleichsweise angstfrei gibt sich indes ein Teil der von uns wöchentlich befragten institutionellen Investoren mit mittelfristigem Handelshorizont. Denn unser Börse Frankfurt Sentiment-Index ist gegenüber der Vorwoche um 19 Punkte auf einen neuen Stand von +19 gestiegen. In erster Linie, weil ein Teil der ohnehin seit knapp vier Wochen pessimistisch eingestellten Akteure (10 Prozent aller Befragten) mittlerweile ihre bearishen Engagements zurückgedeckt und sich fast vollumfänglich auf die Seite der Optimisten geschlagen haben. Mit mehr oder weniger hohen Gewinnen.

Anders stellt sich die Situation bei den Privatanlegern dar, deren Börse Frankfurt Sentiment-Index gegenüber der Vorwoche um 8 Punkte auf einen neuen Stand von +15 gefallen ist. Dabei hat sich allerdings die Gruppe der Optimisten nicht verringert, sondern sogar geringfügig erhöht. Vielmehr geht der Rückgang des Sentiment-Index auf eine Verringerung des Lagers neutral eingestellter Börsianer zugunsten der Bären zurück. Man kann sich natürlich fragen, warum die Optimisten in diesem Panel per Saldo praktisch überhaupt nicht reagiert haben, obwohl ein großer Teil von ihnen vor dem jüngsten DAX-Einbruch noch über erhebliche Kursgewinne verfügt haben dürfte.

Mental verfrühstückte Gewinne

Tatsächlich handelt es sich um Gewinne, die zwar mental längst vereinnahmt, aber real nicht mitgenommen wurden. Stattdessen sind diese Buchgewinne weggeschmolzen und fühlen sich nun für manch einen mental wie ein Verlust an, den man nicht realisieren möchte. Verluste, die, gemessen am ursprünglichen Einstandspreis der Engagements, möglicherweise real noch gar nicht entstanden sind.

Mit der heutigen Befragung ist die große Stimmungskluft zwischen privaten und institutionellen Investoren deutlich geschrumpft. Unter dem Strich bleibt allerdings ein recht ordentlicher Optimismus bestehen, der sich aus drei Quellen speist. Zum einen aus einer gewissen Ratlosigkeit aufgrund (möglicherweise nur mentaler) Schieflagen. Zum anderen, und dies gilt vor allen Dingen für die institutionellen Investoren, vielfach aus der Zuversicht heraus, dass es hoffentlich mit der neuen Covid-19-Variante nicht so schlimm kommen werde. Und zum dritten vertraut man insbesondere auf die Erfahrung vorangegangener DAX-Korrekturen in diesem Jahr, die sich am Ende immer wieder als temporäres Phänomen erwiesen haben. Nicht zuletzt, weil die globalen Aktienfonds in diesem Jahr von rekordhohen Zuflüssen profitieren konnten. Auf jeden Fall ist der jüngste Anstieg beim Börse Frankfurt Sentiment-Index nicht so deutlich, als dass die heimischen Investoren bei Gewinnmitnahmen auf höherem Niveau im Falle des Falles weiteren langfristigen Kapitalströmen in die Aktienmärkte etwas entgegenzusetzen hätten. Anders ausgedrückt: Selbst wenn kurzfristig zur Zeit für hohe Volatilität gesorgt sein würde, sprechen wir beim DAX immer noch nur von einer - wenn auch veritablen - Korrektur.

1. Dezember 2021, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)