TEL AVIV/RAMALLAH (dpa-AFX) - Deutschland stockt seine humanitäre Hilfe für die palästinensischen Gebiete angesichts des Leids der Zivilbevölkerung im Gazastreifen um weitere 38 Millionen Euro auf. Das kündigte Außenministerin Annalena Baerbock am Samstag nach einem Gespräch mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Mohammed Schtaje in Ramallah im Westjordanland an. Damit werde Deutschland im laufenden Jahr über 160 Millionen Euro für die palästinensischen Gebiete zur Verfügung stellen. Zugleich warnte die Grünen-Politikerin vor einem Übergreifen der Gewalt auf das Westjordanland.

"Die Zukunft der Palästinenserinnen und Palästinenser muss besser sein als ihre Gegenwart und Vergangenheit", sagte Baerbock. Es sei auch im Interesse Israels, dass die Palästinenser selbstbestimmt in einem eigenen Staat ihre Zukunft bestimmen könnten. "Dafür ist es so zentral, dass nicht noch auch das Westjordanland von Gewalt und Zerstörung erfasst wird." Die Bundesaußenministerin betonte: "Mit Terror und Gewalt wird es keinen Frieden geben."

Gegenüber ihren israelischen Gesprächspartnern werde sie unterstreichen, "dass Gelder, die der palästinensischen Behörde gehören, dieser auch vollumfänglich zur Verfügung gestellt werden müssen", sagte Baerbock. "Gerade weil uns die Sicherheit Israels so am Herzen liegt, müssen wir diejenigen Akteure und Institutionen wie die palästinensische Autonomiebehörde jetzt in diesem Moment stärken, (...) weil es sie zur Verwirklichung eines unabhängigen palästinensischen Staates braucht."

Ein erster wichtiger Schritt für die Menschen in Gaza seien die humanitären Pausen, sagte Baerbock. "Diese müssen weiter ausgebaut werden." Auch müssten die Krankenhäuser im Norden des Gazastreifens Versorgungssicherheit haben. Zudem brauche es mehr humanitäre Zugänge. "Das, was wir jetzt haben, reicht bei weitem nicht aus." Mit der europäischen Luftbrücke seien bereits 372 Tonnen Hilfsgüter gebracht worden. "Wir sehen aber, dass das nicht ausreicht."

Baerbock verurteilt Siedlergewalt

Die zunehmende Gewalt durch radikale israelische Siedler verurteile sie aufs Schärfste, sagte Baerbock. Straf- und Gewalttaten gegen die palästinensische Bevölkerung im Westjordanland müssten unterbunden und strafrechtlich verfolgt werden. "Israel hat hier eine zentrale Verantwortung für den Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung. Denn die Siedlergewalt, sie schadet auch der Sicherheit Israels."

Die Lage im Westjordanland hat sich seit Beginn des Krieges deutlich verschärft. Mehr als 175 Palästinenser wurden laut palästinensischem Gesundheitsministerium getötet. Die israelische Armee hat seitdem eigenen Angaben zufolge bei Razzien 1540 Verdächtige festgenommen, davon 930 mit mutmaßlicher Verbindung zur Hamas. Es gibt auch mehr Berichte über Gewalt israelischer Siedler gegen Palästinenser.

Treffen mit Vertretern Israels

Am Abend (Ortszeit) wollte Baerbock in der Küstenmetropole Tel Aviv den israelischen Außenminister Eli Cohen sowie den Oppositionsführer Jair Lapid treffen. Es war auch ein Gespräch mit dem Oppositionspolitiker Benny Gantz geplant, der dem Kriegskabinett von Regierungschef Benjamin Netanjahu angehört.

Baerbock wirbt erneut für humanitäre Feuerpausen

Am Vormittag hatte Baerbock bei Gesprächen in Saudi-Arabien erneut für humanitäre Feuerpausen zur Versorgung der notleidenden Bevölkerung im Gazastreifen geworben. Es habe bei den Treffen mit Vertretern Katars und Saudi-Arabiens Einigkeit bestanden, "dass es humanitäre Feuerpausen braucht, die auch Versorgung mit humanitärer Hilfe erlauben", hieß es im Anschluss aus Delegationskreisen.

Einig sei man sich auch darüber gewesen, dass es Frieden für Palästinenser und Israelis nur mit einer Perspektive auf eine Zwei-Staaten-Lösung geben könnte, hieß es weiter. Zentraler Punkt in den Gesprächen seien die Bemühungen um die Freilassung der Geiseln gewesen, in denen Katar eine sehr wichtige Rolle spiele.

Treffen mit Katars Ministerpräsident und saudischem Außenminister

In der saudischen Hauptstadt Riad hatte Baerbock mit dem Ministerpräsidenten und Außenminister von Katar, Mohammed bin Abdulrahman Al Thani, gesprochen. Er hielt sich parallel zum Besuch der Grünen-Politikerin wegen eines Treffens arabischer und anderer islamischer Staaten zum Gaza-Krieg in der Stadt auf. Im Anschluss traf sie den saudischen Außenminister Faisal bin Farhan Al Saud.

Saudi-Arabien, Katar und Emirate gelten als wichtige Vermittler

Saudi-Arabien und die Emirate gelten wie Katar als einflussreiche mögliche Vermittler, etwa wenn es um die Befreiung der Hamas-Geiseln und eine künftige Friedenslösung geht. Die islamistische Hamas hatte bei ihrem Angriff auf Israel nicht nur Hunderte Menschen umgebracht, sondern auch etwa 240 Geiseln genommen. Nach Angaben der Familien haben etwa 20 der Verschleppten auch den deutschen Pass./bk/DP/mis