Berlin (Reuters) - Frauen verdienen in Deutschland knapp ein Fünftel weniger als ihre männlichen Kollegen.

Sie erhielten im vergangenen Jahr durchschnittlich 20,05 Euro pro Stunde und damit 4,31 Euro oder 18 Prozent weniger als Männer (24,36 Euro), wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Wegen einer geänderten Methodik lasse sich die Entwicklung nicht direkt mit den Vorjahren vergleichen. Im langfristigen Vergleich sank der geschlechterspezifische Lohnabstand ("Gender Pay Gap") aber: Zu Beginn der Erhebung 2006 machte er noch 23 Prozent aus. In Ostdeutschland liegt der Verdienstunterschied aktuell mit sieben Prozent weit unter dem im Westen mit 19 Prozent.

"Dass Deutschland einen der größten Gender Pay Gaps in Europa aufweist, ist ein Armutszeugnis", kommentierte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, die Entwicklung. "Es trägt dazu bei, dass Deutschland einen Großteil seines wirtschaftlichen Potentials ungenutzt lässt." Eine Diskriminierung von Frauen bei gleicher Arbeit und gleicher Leistung, eine hohe Teilzeitquote, einen geringen Anteil in Führungspositionen und eine deutlich schlechtere Bezahlung von systemrelevanten Berufen, in denen vor allem Frauen vertreten sind, seien die Hauptursachen dafür.

Die Lohnlücke ließe sich deutlich reduzieren, wenn Hürden und Diskriminierung für Frauen abgebaut würden. "Mögliche Maßnahmen wären die Abschaffung des Ehegattensplitting und von Minijobs, der Aufbau einer leistungsfähigen Betreuungsinfrastruktur für Kinder, die Förderung einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie und eine höhere Wertschätzung systemrelevanter Berufen", sagte Fratzscher der Nachrichtenagentur Reuters. Im internationalen Vergleich - insbesondere mit manchen nordischen Ländern - hinke Deutschland hier deutlich hinterher.

Die Unterschiede sind den Angaben zufolge vor allem darauf zurückzuführen, dass Frauen häufiger als Männer in Branchen, Berufen und Anforderungsniveaus arbeiten, in denen schlechter bezahlt wird. "Zum anderen arbeiten Frauen häufiger in Teilzeit, was auch mit geringeren durchschnittlichen Bruttostundenverdiensten einhergeht", so die Statistiker. Mit diesen Faktoren ließen sich insgesamt 63 Prozent des Lohnunterschieds erklären.

Die verbliebenen 37 Prozent "können nicht durch die im Schätzmodell verfügbaren Merkmale erklärt werden", hieß es. Auch bei vergleichbarer Qualifikation, Tätigkeit und Erwerbsbiografie bleibt demnach noch ein Verdienstunterschied: Dieser sogenannte bereinigte "Gender Pay Gap" wird auf sieben Prozent beziffert. "Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Unterschiede geringer ausfallen würden, wenn weitere Informationen über lohnrelevante Einflussfaktoren für die Analyse zur Verfügung stünden - etwa Angaben zu Erwerbsunterbrechungen aufgrund von Schwangerschaft, Geburt von Kindern oder Pflege von Angehörigen", so das Statistische Bundesamt. Der bereinigte "Gender Pay Gap" sei daher "als 'Obergrenze' für Verdienstdiskriminierung zu verstehen".

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)