- von Markus Wacket und Tom Käckenhoff

Berlin/Düsseldorf (Reuters) - Die Bundesregierung und die Akw-Betreiber haben ihren jahrelangen Streit um den Atom-Ausstieg beigelegt.

Zehn Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima bekommen die vier Energieversorger insgesamt gut 2,4 Milliarden Euro vom Steuerzahler, wie die Bundesregierung am Freitag mitteilte. Damit setzt sie ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2016 um, das den Unternehmen Ausgleichszahlungen für verfallene Reststrommengen und Investitionen zusprach. "Damit ist das Kapitel des Atomausstiegs endgültig beendet", sagte ein Sprecher des Umweltministeriums.

2011 hatte die damalige Bundesregierung eine Kehrtwende vollzogen. Nachdem sie nur wenige Monate zuvor längere Laufzeiten genehmigt hatte, beschloss sie unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe in Japan eine Rückkehr zum schnelleren Atomausstieg. Am 11. März 2011 war nach einem Tsunami das Atomkraftwerk (Akw) in Fukushima außer Kontrolle geraten. Große Mengen Radioaktivität wurden freigesetzt, über 100.000 Menschen mussten die Region verlassen. In Deutschland gingen Hunderttausende auf die Straße und verlangten ein Abschalten der Meiler. Bundeskanzlerin Angela Merkel lenkte ein. Ältere Meiler wurden vorzeitig abgeschaltet, die Laufzeiten insgesamt begrenzt. Das letzte deutsche Atomkraftwerk soll im nächsten Jahr vom Netz. Das Verfassungsgericht hatte dies 2016 als rechtmäßig beurteilt, sofern die Konzerne entschädigt werden. Seitdem stritten Regierung und Betreiber um die Höhe der Zahlungen.

Der Einigung zufolge soll RWE 880 Millionen Euro bekommen, EnBW rund 80 Millionen und E.ON 42,5 Millionen. Vattenfall erhält mit 1,425 Milliarden Euro den größten Anteil und kann zudem noch Strommengen im Wert von knapp 200 Millionen Euro vermarkten. Die Schweden hatten vor dem Internationalen Schiedsgerichtshof in Washington auf sechs Milliarden Euro Entschädigung geklagt. Mit der Einigung beenden Vattenfall und die anderen Unternehmen nun ihre Klagen und Prozesse.

Ganz in trockenen Tüchern ist die Vereinbarung noch nicht. Die Regelungen sollen in Gesetzesform gegossen und möglichst 2021 umgesetzt werden. Die EU-Kommission muss ebenso noch zustimmen wie die Gremien der Unternehmen. Die Konzerne sprachen von einer akzeptablen Lösung.

"Wir begrüßen die angestrebte Vereinbarung, die nunmehr vielen Jahren kostspieliger und zeitraubender Auseinandersetzungen um den deutschen Kernkraftausstieg ein Ende setzen wird", sagte Vattenfall-Chefin Anna Borg. E.ON sprach von einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag, der dem Unternehmen unter Berücksichtigung aller einzelnen Regelungen etwa zur Stromvermarktung zukommen werde. RWE lobte die Regelung als Abschluss des AKW-Zeitalters: "Sie ist zudem ein gutes Signal, um das Vertrauen in den Standort Deutschland zu stärken und damit die erheblichen Investitionen, die jetzt in den Umbau des Energiesystems fließen müssen, zu befördern", erklärte der Konzern. Die RWE-Aktie legte in einem schwachen Markt zeitweise über zwei Prozent zu.

GRÜNE UND UMWELTVERBÄNDE VERÄRGERT

Die Grünen im Bundestag kritisierten, die Zahlungen kämen nur dadurch zustande, dass die damalige Regierung aus Union und FDP unter Kanzlerin Angela Merkel die Laufzeiten der Atomkraftwerke kurz vor Fukushima verlängert hätten. "Wäre Merkel ohne das Hüh-und-Hott mit Laufzeitverlängerung und anschließendem Wiederausstieg nach Fukushima beim rot-grünen Atomausstieg geblieben, wäre gar keine Entschädigung fällig", sagte Vize-Fraktionschef Oliver Krischer. Der Staat werde nun endgültig zur wichtigsten Geldquelle der Konzerne. "Zusammen mit den diversen Entschädigungen im Zuge des Kohleausstiegs summieren sich Zahlungen des Bundes auf nunmehr fast neun Milliarden Euro."

Der BUND-Vorsitzende Olaf Brandt äußerte sich enttäuscht: "Die offene Frage der Ausgleichszahlungen hat endlich ein Ende gefunden, aber zu einem viel zu hohen Preis." Die Entschädigung liege wohl deutlich über den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtes.

Das Bundesumweltministerium hatte zunächst mit einer Gesamtsumme von unter einer Milliarde Euro gerechnet. Das Verfassungsgericht hatte aber einen Versuch der Entschädigung im vergangenen Jahr erneut als unzureichend gerügt, was nun zu höheren Summen führte.