Kommentare, Einschätzungen und Entwicklungen zu Energiethemen, -versorgung und -sicherheit in Deutschland:


BEE: Kraftwerksstrategie systemdienlich und erneuerbar gestalten 

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) hat sich zur neuen Kraftwerksstrategie der Regierung für ein dezentrales Backup-System ausgesprochen. "Die Standorte der neuen Kraftwerke müssen systemdienlich und verbrauchsnah ausgewählt werden", sagte BEE-Präsidentin Simone Peter. "Die Kraftwerksstrategie nimmt nun endlich Fahrt auf, die Bundesregierung muss aber anerkennen, dass Erneuerbare mittlerweile systemsetzend sind und der Ausgleich für Sonne und Wind deshalb am besten mit einem dezentralen erneuerbaren Backup gelingt." Der Paradigmenwechsel von der überholten Struktur fossiler und atomarer Großkraftwerke und Grundlast hin zu Flexibilität und Dezentralität müsse sich auch in der Kraftwerksstrategie widerspiegeln. "Jetzt müssen zügig und in Zusammenarbeit mit den Verbänden die Detailfragen geklärt werden", forderte Peter. Dass die auszuschreibenden Kapazitäten für H2-ready-Gaskraftwerke verringert wurden, sei richtig. Die Verlängerung der Frist für dem Umstieg auf Wasserstoff lehne der BEE hingegen deutlich ab. Die Regierung müsse an einem Umstieg bis spätestens 2035 festhalten anstatt zwischen 2035 und 2040.


Umweltverbände: Kraftwerksstrategie öffnet Büchse der Pandora 

Ein breites Bündnis von Umweltverbänden hat die Einigung der Ampel-Spitzen scharf kritisiert, im Rahmen der Kraftwerksstrategie nun auch CCS-gestützte Gaskraftwerke ermöglichen zu wollen. Mit ihrer Entscheidung öffne die Bundesregierung "die Büchse der Pandora" und ziehe die Abhängigkeit von fossilem Erdgas für die Energieerzeugung unnötig in die Länge. So werde das Erreichen der Klimaneutralität massiv gefährdet. "Die Schaffung von gesicherter Leistung im Rahmen der Kraftwerksstrategie muss konsequent auf grünen Wasserstoff ausgerichtet werden, um den Kohleausstieg bis 2030 nicht zu gefährden", forderten die Verbände. Die angekündigte Aufnahme von Erdgas-CCS in die Carbon Management Strategie sei hingegen ein Frontalangriff auf die Energiewende. "Wenn wir jetzt in CCS-Anlagen investieren, werden diese über Jahrzehnte genutzt", warnten die Organisationen.


Spahn vermisst klare Terminpläne in Kraftwerksstrategie 

Unions-Fraktionsvize Jens Spahn (CDU) sieht in der neuen Kraftwerksstrategie der Ampel-Regierung richtige Ansätze, vermisst aber klare Terminpläne. "Dass die Ampel jetzt stärker marktwirtschaftlich und technologieoffen handeln will, ist richtig. Doch solange Ausschreibungen oder klare Terminpläne fehlen, hält die Verunsicherung an", sagte Spahn der Mediengruppe Bayern. Die Ampel-Koalition bleibe mit den versprochenen 10 Gigawatt weit unter den von der Bundesnetzagentur avisierten 21 Gigawatt bis 2030. "Die Ampel setzt darüber hinaus auf das Prinzip Hoffnung", erklärte Spahn. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) erwarteten hier einen Vertrauensvorschuss, den sie selbst torpediert hätten.


VCI: Kraftwerksstrategie nur Übergangslösung 

Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) hat die von der Regierung vorgelegte Kraftwerksstrategie kritisiert. "Das ist nicht der nötige große Wurf, der die Versorgungssicherheit sicherstellt. Jetzt haben wir wieder nur eine Übergangslösung", sagte VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup. Damit fehle weiter die für Investitionen nötige Planungssicherheit. "Wir brauchen jetzt unbedingt Tempo bei der Ausarbeitung des Kapazitätsmechanismus", forderte er. Positiv sei die Nutzungsperspektive für Wasserstoff, bei dem CO2 abgeschieden wird. Die geplanten Anlagen mit einer Leistung von knapp 10 Gigawatt reichten jedoch bei weitem nicht aus, um die Versorgung zu garantieren. "Wir dürfen bestehende Kraftwerke erst abschalten, wenn wir einen sicheren, wetterunabhängigen Ersatz haben", forderte Große Entrup. Der angekündigte Kapazitätsmechanismus sollte aus VCI-Sicht möglichst technologieoffen und kosteneffizient für Stromkunden ausgestaltet werden. Dabei sollte die Förderung von Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen weiterentwickelt und die freiwillige Bereitstellung von Flexibilität durch die Industrie angemessen vergütet werden.


BDEW will konkreten Gesetzesvorschlag zu Kraftwerken 

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat nach der Einigung der Regierung zur Kraftwerksstrategie schnell konkrete Gesetzesschritte angemahnt. "Es ist enorm wichtig, dass die Bundesregierung endlich eine Entscheidung zur Kraftwerksstrategie getroffen hat. Dies ist ein entscheidender Baustein für einen erfolgreichen Weg in Richtung Klimaneutralität bei gleichzeitiger Wahrung der Versorgungs- und Systemsicherheit", sagte die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, Kerstin Andreae. "Der politischen Einigung muss nun zeitnah ein konkreter Gesetzesvorschlag folgen, damit in diesem Jahr noch die erste Ausschreibung erfolgen kann." Es sei richtig, aus Kostengründen zunächst mit der Ausschreibung von neuen wasserstofffähigen Kraftwerken zu starten. Nun müsse dringend Klarheit für die Investoren geschaffen werden. "Die Finanzierungsfrage muss ebenso schnell geklärt werden wie die beihilferechtliche Sicherheit sowie die Standortfrage", sagte sie. Zudem seien die konkreten Ausschreibungszeiträume für die Kraftwerke heute noch unklar. Aus BDEW-Sicht müsse auch die Rolle der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) im Rahmen der Kraftwerksplanung bedacht werden.


Umwelthilfe sieht viele offene Fragen zu Kraftwerkstrategie 

Die Deutsche Umwelthilfe sieht große Lücken in der Kraftwerkstrategie, zu der die Bundesregierung am Montag eine Einigung verkündet hat. "Diese Einigung lässt viele Fragen offen, in erster Linie die, wie viel das kostet und wie es bezahlt werden soll", sagte Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner der Funke-Mediengruppe. Unklar sei auch, ob bei den vier Gaskraftwerken, die zeitnah ausgeschrieben werden sollen, nur der Betrieb oder auch der Bau subventioniert werde. Zudem klaffe eine Lücke zwischen 2024 und 2028, wo dann der Kapazitätsmechanismus greifen soll. "Soll alles, was über die ersten vier Kraftwerke hinaus nötig ist, dann über den Kapazitätsmechanismus gefördert werden? Was bisher bekannt ist, ist sehr vage", kritisierte Müller-Kraenner. Wichtig sei aus Sicht der Umwelthilfe, dass nicht ausschließlich Gaskraftwerke gefördert würden. "Es geht um steuerbare Leistung, das sollte man technologieoffen denken", sagte Müller-Kraenner. Großbatteriespeicher zum Beispiel könnten einen großen Beitrag leisten.


DIHK: Versorgungssicherheit nicht verhandelbar 

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) hat nach Einigung der Regierung auf eine Kraftwerksstrategie die Bedeutung der Versorgungssicherheit für Unternehmen ins Zentrum gerückt. "Es ist gut, dass die Bundesregierung nach vielen Verzögerungen ihre Kraftwerksstrategie jetzt vorantreiben will. Versorgungssicherheit ist für die Unternehmen schließlich nicht verhandelbar", sagte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. "Daher sollte auch klar sein, dass bestehende Kraftwerke erst abgeschaltet werden, wenn neue Anlagen ausreichend und verlässlich am Netz sind." Zudem stelle sich die Frage der Finanzierung. Dabei sei aus Sicht der Wirtschaft eine Investitionsförderung einer dauerhaften Förderung der Betriebskosten vorzuziehen. "Es bleibt ohnehin eine Gratwanderung, dass erneut ein staatlicher Eingriff in den Strommarkt stattfindet und einzelne Technologien bevorzugt werden", so Dercks.


Regierung einigt sich auf Kraftwerksstrategie 

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) haben die wesentlichen Elemente einer Kraftwerksstrategie sowie Festlegungen zu weiteren Vorhaben vereinbart. Das gab das Bundeswirtschaftsministerium in einer Pressemitteilung bekannt. Vereinbart worden sei, dass die Arbeiten an dem zukünftigen Strommarktdesign umgehend weiter vorangebracht und insbesondere Konzepte für einen marktlichen, technologieneutralen Kapazitätsmechanismus erarbeitet würden, die bis spätestens 2028 operativ sein sollen. Eine politische Einigung darüber solle innerhalb der Bundesregierung bis spätestens Sommer 2024 erzielt werden. Konkret haben sich Scholz, Habeck und Lindner darauf geeinigt, dass neue Kraftwerkskapazitäten im Umfang von bis zu 4 mal 2,5 GW als H2-ready Gaskraftwerke im Rahmen der Kraftwerksstrategie kurzfristig ausgeschrieben werden, die ab einem 2032 festzulegenden Umstiegsdatum zwischen 2035 und 2040 vollständig auf Wasserstoff umstellen sollen.


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February 05, 2024 10:31 ET (15:31 GMT)