Von Manuel Priego Thimmel

FRANKFURT (Dow Jones)--Nach einem fulminanten Start ins neue Jahr, sind die Börsen schneller als gedacht wieder auf den Boden der Realität zurückgekehrt. Für die kalte Dusche sorgte nicht etwa die Corona-Pandemie, sondern die US-Notenbank, die sich aufgrund der inflationären Risiken gezwungen sieht, den geldpolitischen Ausstieg nach vorne zu verschieben. Mit der nachlassenden Furcht vor Omikron, rücken damit nun wieder die Inflationsgefahren an den Börsen in den Vordergrund. Zum größten Risiko für die Märkte wird das schärfere Vorgehen der Zentralbanken.

Omikron füllt zwar große Teile der Berichterstattung in den Medien, an den Börsen spricht man aber kaum noch von der Virusvariante. Aktuell herrscht allgemein auch dort die Auffassung, dass Omikron zwar extrem ansteckend ist, die Krankheitsverläufe aber eher mild sind mit der Folge einer geringen Hospitalisierungsquote. Das spricht gegen flächendeckende Lockdowns, größere Belastungen der Wirtschaft und negative Auswirkungen auf die Unternehmensgewinne.

Den Zentralbanken gibt dies mehr Luft, sich der grassierenden hohen Inflation zu widmen. In ihrem jüngsten Protokoll räumte die US-Notenbank praktisch ein, dass sie die Inflationsgefahren falsch eingeschätzt hat. Sie will nun schneller handeln. Für sehr wahrscheinlich gilt nun, dass sie - wie kommuniziert - ihre Wertpapierkäufe bis Mitte März einstellt, und aber auch bereits im März erstmalig die Zinsen anheben wird. Darauf könnte dann relativ zügig mit der nächsten Straffungsmaßnahme begonnen werden, nämlich der Bilanzschrumpfung.

Am Ausmaß der Verschärfung hat sich aber nichts geändert. Weiter gehen Beobachter davon aus, dass die Leitzinsen dieses Jahr drei Mal und 2023 erneut drei Mal steigen werden. Damit dürften die Börsen gut leben können, weil es bereits weitgehend eingepreist sein dürfte. Prinzipiell stünde sich rasch wieder stabilisierenden Kursen mit einem baldigen Angriff auf die Rekordhochs also nichts entgegen, nachdem die Veröffentlichung des Protokolls am Mittwoch für einen Rücksetzer gesorgt hatte.


   EZB sieht Geschehen bislang tatenlos zu 

Ein Risiko liegt aber darin, dass das Narrativ eines fallenden Preisdrucks in den kommenden Monaten einmal mehr nicht aufgehen wird. Im Euroraum ist die Inflationsrate im Dezember entgegen den Erwartungen weiter gestiegen auf nun 5,0 Prozent. Dies ist der höchste Wert seit Beginn der Währungsunion. In der kommenden Woche stehen Preisdaten aus den USA für Dezember an. Die Commerzbank rechnet mit einem Anstieg auf atemberaubende 7,1 Prozent nach 6,8 Prozent im November.

Damit besteht Gefahr, dass die Zentralbanken in den kommenden Wochen die Notbremse ziehen müssen. Insbesondere gilt das für die EZB, die scheinbar ihr Inflationsmandat ad acta gelegt hat und weit hinter der Kurve liegt. Den Grund für die bisherige Tatenlosigkeit der Bundesbank-Nachfolgerin sieht Laburnum Consulting darin, dass die EZB eigentlich Geldpolitik für zwei unterschiedliche Wirtschaftsräume macht: Den hochverschuldeten Süden und den weniger verschuldeten Norden. EZB-Präsidentin Lagarde sei mehr Politikerin als Zentralbankerin.


   Phasen hoher Volatilität zum Kauf nutzen 

Dass eine geldpolitische Notlandung Folgen für die globalen Finanzmärkte hätte, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Seit der Großen Rezession nach dem Fall von Lehman Brothers, und erst recht mit der Corona-Pandemie, sind die Märkte mit Liquidität vollgepumpt worden. Die Entzugserscheinungen bei stärkerer Liquiditätsaustrocknung wären massiv. Die Entwicklung der Inflation dürfte daher in der nahen Zukunft das Marktthema bleiben, vorausgesetzt externe Faktoren bleiben aus, wie etwa eine erneute Pandemie-Verschärfung oder ein Krieg in der Ukraine.

Wie immer in den vergangenen Jahren gilt aber auch hier, Phasen hoher Volatilität bzw von Marktverwerfungen sollten für den Aufbau von Positionen genutzt werden. Eine bezahlbare Alternative zu Aktien für den Inflationsschutz gibt es nicht. Versüßt werden DAX-Käufe durch einen sich abzeichnenden warmen Dividendenregen. Wie die Commerzbank mit Verweis auf Factset-Markterwartungen schreibt, soll die DAX-Dividendensumme um 38 Prozent auf 46,8 Milliarden Euro steigen.

Als kurzfristig kursbewegender Faktor kommt in der nächsten Woche der Start der Unternehmensberichtssaison hinzu. Den Anfang machen wie immer Unternehmen aus den USA. Am Freitag legen die Großbanken JP Morgan Chase & Co und Citigroup ihre Viertquartalszahlen und zugleich die Gesamtjahreszahlen für 2021 vor. In Europa startet die Saison zwar erst Ende des Monats, erfahrungsgemäß warten manche Unternehmen aber immer wieder auch mit vorzeitigen ersten Indikationen auf.

Kontakt zum Autor: manuel.priego-thimmel@wsj.com

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January 07, 2022 08:15 ET (13:15 GMT)