Von Michael Denzin

FRANKFURT (Dow Jones)--Mit steigenden Kursen bei DAX & Co rechnen Händler in der kommenden Woche. Der Markt dürfte zwar etwas Zeit brauchen, um von den großen Themenkomplexen wie Inflation, Zins und Konjunktur wieder umzuschalten auf Berichtssaison und Einzelunternehmen; die Grundstimmung ist aber positiv. Sollte es nicht zu schweren Enttäuschungen kommen, gehen Händler von einer Fortsetzung der Aktienrally aus. Der DAX dürfte dann schnell über die 16.000er-Marke in Richtung neuer Allzeithochs steigen.


   Entspannung bei Inflation - Konjunktur könnte überraschen 

Für Entspannung hatten vor allem die gefallenen US-Erzeugerpreise gesorgt. Die Hoffnung auf ein nahendes Zins-Top in den USA wurde damit untermauert. Entsprechend schossen dort die zinssensitiven Aktien wie Technologiewerte nach oben. In Europa dürften neben der Tech-Industrie vor allem die gebeutelten Immobilienaktien profitieren. Sollte es auch in der Konjunktur besser laufen, werden auch Auto, Chemie und Bau als attraktive Branchen gesehen.

Das Überraschungspotenzial für Zykliker ist hoch: So zeigte der kräftige Anstieg der Exporte aus China, dass sich die Volkswirtschaft schneller belebt als befürchtet. Dazu kommen Umfragen wie die Ipsos-Konsumentenstimmung, die auch eine steigende Ausgabenfreude der Chinesen zeigen und damit den Boden für höhere Importe nach China bereiten.

Die Inflation zeigt sich nun selbst in Deutschland etwas entspannter wie bei den Preisen im deutschen Großhandel. Sie stiegen im März mit nur noch 2,0 Prozent zum Vorjahr. Im Vormonat lag die Rate noch viermal höher bei 8,9 Prozent.


   Zu spätes EZB-Handel rächt sich - Zinsdifferenz zu USA 

Etwas im Nachteil sind Europas Anleger aber gegenüber den amerikanischen: Denn die USA sind in der einmaligen Lage, dass der Realzins erstmals seit 2019 wieder positiv ist - sprich, mit Zinserträgen kann die Vermögensvernichtung durch Inflation aufgefangen werden. Daher ist es bei der Fed auch korrekt, nun über eine Zinspause nachzudenken.

Ganz anders bei der EZB: Hier wurden die Zinsen viel zu zaghaft erhöht. Mit einem Leitzins von 3,5 Prozent machen die Zinsen gerade einmal die Hälfte der Inflation aus. Schließlich stiegen die EU-Verbraucherpreise zuletzt mit 6,9 Prozent an. Die Differenz von 3,4 Prozent ist der jährliche Vermögensverlust der Europäer. "Die EZB hat hier noch einiges zu tun und kann sich noch nicht wie die bereits bestehenden Fed-Diskussionen mit einer Lockerung der restriktiven Geldpolitik beschäftigen", merkt Salah-Eddine Bouhmidi, Leiter des Märkte-Teams von IG an.


   Analysten mit Konjunkturprognosen überfordert 

Die lange Fokussierung auf Themen wie Zins und Inflation hat für eine offene Flanke gesorgt - die Konjunktur. Selten gingen die Meinungen zur Konjunkturentwicklung so weit auseinander wie jetzt. Grund ist, dass sich die übliche zyklische Konjunkturerwartung vermischt mit der strukturellen Nach-Corona-Erholung. Und als Sahnehäubchen muss dazu noch der Einfluss der Zinserhöhungen plus dem geänderten Verbraucherverhalten wegen der hohen Inflation zusammengerechnet werden.

"Volkswirte sind damit einfach überfordert", sagt ein Stratege. Genau wie die Inflationsmodelle der EZB versagt hätten, könnten auch ihre Konjunkturprognosen nicht mit dieser Gemengelage umgehen: "Im Ergebnis sind viele Prognosen einfach nur unfundiert oder zu stark auf der vorsichtigen Seite".


   Hohes Überraschungspotenzial ist gut für Trader - "Surprises" im Blick haben 

Für Trader ist das eine gute Nachricht: Denn das Überraschungspotenzial bei Zahlenvorlagen wird dadurch hoch. So zeigte die Handelsbilanz aus China ein zweistelliges Prozentplus bei Exporten. Volkswirte waren hier aber sogar in der komplett falschen Richtung unterwegs und hatten mit einem Minus gerechnet. Auch bei Einzelunternehmen zeigten sich schon viele positive Überraschungen, so wie im Luxussektor bei LVMH und Hermes, der Chemie mit Covestro und BASF oder quer durch alle Branchen vom Kranhersteller Palfinger bis hin zum Navi-Bauer TomTom.

Bei Einzelaktien ist daher die Chance hoch, dass bessere Zahlen und Ausblicke zu deutlichen Kursgewinnen führen. Für den Gesamtmarkt meinen einige Strategen daher, sich gar nicht erst auf das fehlerbehaftete Schätzen von Konjunkturaussichten einzulassen. Stattdessen reiche es, in der Berichtsaison das Verhältnis von positiven zu negativen Gewinnüberraschungen zu beachten.

Sollte die Mehrzahl der "Earnings Revisions" nach oben zeigen, dürfte dies die Märkte nach oben treiben. Der Anlagebedarf ist nämlich hoch: In den USA sind beispielsweise nur 26 Prozent der Anleger bullish und fast 40 Prozent stehen als Neutrale an der Seitenlinie, wie die jüngsten Daten des Anlegerverbandes AAII zeigten.


   Das Beste kommt zum Schluss 

Beim Blick in den Kalender der kommenden Woche fällt auf, dass die wichtigsten Konjunkturdaten erst am Freitag erscheinen: Die Einkaufsmanager-Indizes (PMI) rund um den Globus. Die These von der stärkeren Konjunkturerholung in China wird gleich am Dienstag getestet mit dem BIP zum ersten Quartal. Bessere Daten sollten die europäischen Exportaktien treiben. Dazu steht auch noch der ZEW-Index als vorlaufender Indikator im Blick und das Beige Book der US-Notenbank.

Bei den Branchen werden die US-Banken sogar schon durch sein. Bei Autowerten stehen Neuzulassungen im März und die Zahlen von Renault an, bei Tech-Werten blickt man auf ASML, SAP und Google. Und Konsumgüterriese Procter & Gamble wird zeigen, ob sich Margen gegenüber dem Konsumenten noch durchsetzen lassen.

Kontakt zum Autor: maerkte.de@dowjones.com

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April 14, 2023 06:56 ET (10:56 GMT)