Von Megha Mandavia

MUMBAI (Dow Jones)--Das vergangene Jahr war das Jahr des Flüssigerdgases (LNG). Die Entscheidung Russlands, die Gaslieferungen über Pipelines nach Europa zu drosseln, ließ die Preise in die Höhe schnellen und drohte, Europa in eine Rezession zu stürzen. Der panikartige Preisanstieg von 2022 wird sich in diesem Jahr wahrscheinlich aber nicht wiederholen.

Dennoch wäre es unklug, auf niedrigere Preise zu setzen. Die LNG-Preise sind nach einem viel milderen Winter als erwartet in Europa gesunken. Und die asiatischen LNG-Spotpreise rauschten gegenüber den im August vergangenen Jahres erreichten Höchstständen um fast 67 Prozent nach unten. Nach Angaben von Refinitiv liegen sie derzeit bei etwa 23 US-Dollar pro Million British Thermal Units (MMBtu), was einem Rückgang von etwa 32 Prozent seit Anfang Dezember entspricht, obwohl sie immer noch mehr als doppelt so hoch sind wie Mitte 2021.

Der Preis für den Brennstoff wird sich jedoch wahrscheinlich nicht weiter abschwächen. So dürften sich die Probleme Europas bei der Umstellung auf saubere Energien und die Kompensation der russischen Lieferausfälle über mehrere Jahre hinziehen. Und die Wiedereröffnung Chinas bedeutet, dass auch die asiatische Nachfrage stark bleiben sollte, selbst wenn der Welthandel schwächer wird.

Im Jahr 2022 dürften LNG-Importe laut S&P Global 39 Prozent der Gesamt-Gasimporte der EU und Großbritanniens ausgemacht haben - im Vergleich zu nur 23 Prozent im Jahr 2021. Während die Speicher in Nordwesteuropa aktuell zu 82 Prozent gefüllt sind, was auf eine komfortable Lagerhaltung über den Winter hindeutet, müssen die Speicher im späten Frühjahr wieder aufgefüllt werden. Und das ist genau der Zeitpunkt, zu dem Chinas Aufschwung richtig in Gang kommen könnte.


  Europäern droht LNG-Knappheit 

Die Internationale Energieagentur (IEA) geht davon aus, dass der EU im Jahr 2023 ein Defizit von 27 Milliarden Kubikmetern droht, wenn die Gaslieferungen aus Russland ausbleiben und Chinas LNG-Nachfrage wieder auf das Niveau von 2021 ansteigt. Das Forschungs- und Beratungsunternehmen Wood Mackenzie erwartet, dass die europäischen Preise 2023 zwar niedriger ausfallen als 2022, aber immer noch bei mehr als 25 Dollar pro MMBtu liegen. Die Wiedereröffnung Chinas wird zwar die LNG-Nachfrage ankurbeln, aber wahrscheinlich nicht der entscheidende Faktor für die Preise im Jahr 2023 sein. Erdgas machte 2021 nur 8,9 Prozent der gesamten chinesischen Energienachfrage aus. Und das Reich der Mitte hat mit seiner massiven Kohlekraftkapazität und den immer noch funktionierenden russischen und zentralasiatischen Gaspipelines einige klare Alternativen zum teuren LNG. Nach Angaben des Datenanbieters CEIC waren Chinas Erdgasimporte über Pipelines im vergangenen Jahr um 33 Prozent höher als 2020, während die LNG-Importe um 5 Prozent in die Knie gingen.

Das derzeitige politische Umfeld Chinas, das auf die Förderung von Wachstum und Energiesicherheit ausgerichtet ist, ist auch nicht unbedingt förderlich für einen massiven Anstieg der LNG-Importe. Wood Mackenzie prognostiziert, dass Pekings Fokus auf Kostenkontrolle und Energiesicherheit - sowie die Rekord-Erdgasproduktion im Jahr 2022 - die Umstellung von Kohle auf Gas im Strom- und Heizungssektor auf kurze Sicht einschränkt. Und Citi-Analysten gehen davon aus, dass Chinas LNG-Importe im Jahr 2023 bei einem moderaten Wachstum des Inlandsverbrauchs von 5 Prozent relativ konstant bleiben werden. Die Europäer, die der Wiedereröffnung Chinas skeptisch gegenüberstehen, müssen sich über LNG wahrscheinlich weniger Sorgen machen, als sie denken. Aber auch das teure LNG wird, zumindest im Vergleich zum Vorkriegsniveau, nicht so schnell verschwinden.

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January 20, 2023 07:27 ET (12:27 GMT)