Gegen den Widerstand des Großaktionärs Cerberus ist der frühere LBBW-Chef Hans-Jörg Vetter zum neuen Aufsichtsratschef der Commerzbank gewählt worden.

Der 67-Jährige soll den Posten in den nächsten Tagen übernehmen, wie die Commerzbank am Montag mitteilte. Er tritt die Nachfolge von Stefan Schmittmann an, der nach massiven Druck des Finanzinvestors Cerberus an der Ausrichtung der Commerzbank ebenso seinen Rücktritt angekündigt hat wie Vorstandschef Martin Zielke. Der Großaktionär hatte mit aller Macht versucht, Vetters Wahl zum Aufsichtsratschef zu verhindern.

"Wir haben ernsthafte Zweifel, dass Hans-Jörg Vetter die richtige Person für diese Aufgabe ist und über die richtige Erfahrung hierfür verfügt", schrieb Cerberus am Sonntag in einem Brief an die Commerzbank-Aufsichtsräte. Es gebe mindestens zwei bessere Kandidaten, deren Namen der Großaktionär allerdings nicht nannte. Nach der empfindlichen Niederlage war von dem Finanzinvestor zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.

Vetter stand von 2009 bis 2016 an der Spitze der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Er brachte die Landesbank wieder in die Spur, nachdem sie in der Finanzkrise 2008 wegen hochriskanter Kreditgeschäfte ins Schlingern geraten war und mit Geldspritzen und Garantien ihrer öffentlichen Eigner gerettet werden musste. Davor sanierte er die Bankgesellschaft Berlin, die sich mit Immobiliengeschäften verhoben hatte. Cerberus monierte unter anderem, dass Vetter bislang kein börsennotiertes Institut geleitet hat.

Mit einem Anteil von gut fünf Prozent ist der Finanzinvestor zweitgrößter Commerzbank-Aktionär hinter dem Bund, der nach der Rettung des Instituts in der Finanzkrise vor gut einem Jahrzehnt noch 15,6 Prozent an der Commerzbank hält. Die Suche nach einem Nachfolger für Schmittmann lag in der Hand von Jutta Dönges. Die Chefin der Finanzagentur des Bundes ist eine von zwei Aufsichtsräten, die der Staat in das Kontrollgremium der Commerzbank entsandt hat. Das Finanzministerium lehnte eine Stellungnahme ab. In Regierungskreisen hieß es, der Bund begrüße es, dass mit Vetter ein ausgewiesener Bankexperte mit großer Transformationserfahrung gefunden wurde. Der Bund halte an einer starken und zukunftsfähigen Commerzbank fest.

VERSCHÄRFTER SPARKURS LIEGT VORERST AUF EIS

Oberste Aufgabe des neuen Aufsichtsratschefs Vetter und seiner Kollegen wird die Suche nach einem Nachfolger für Vorstandschef Zielke sein, der spätestens Ende des Jahres die Commerzbank verlässt. Schmittmann nahm bereits am Montag seinen Hut.

Erst wenn auch ein neuer Vorstandschef gefunden ist, kann die Commerzbank ihren Radikalumbau auf den Weg bringen. Die bisherigen Pläne sehen Finanzkreisen zufolge den Abbau von 10.000 Stellen und die Schließung der Hälfte der 1000 Filialen vor, um die Rendite (ROTE) mittelfristig auf sieben Prozent zu heben. Eigentlich wollte die Commerzbank ihren verschärften Sparkurs am kommenden Mittwoch zusammen mit den Halbjahreszahlen der Öffentlichkeit vorstellen, doch ein neuer Chef oder eine neue Chefin werden an den Plänen noch feilen wollen.

Vetter muss erst gerichtlich bestellt werden, bevor er in das Kontrollgremium einziehen kann. Dies werde "in den nächsten Tagen erwartet", erklärte die Commerzbank. In der kurzen Zwischenzeit leitet Betriebsratschef Uwe Tschäge als stellvertretender Aufsichtsratschef das Gremium.

COMMERZBANK IST FÜR CERBERUS EIN VERLUST-GESCHÄFT

Anleger reagierten erleichtert auf die Fortschritte bei der Besetzung der Führungspositionen. Die Commerzbank-Aktie legte um 2,4 Prozent auf 4,45 Euro zu - ist aber immer noch weit von früheren Kursen entfernt. Seit dem Cerberus-Einstieg im Sommer 2017 ist die Commerzbank-Aktie rund 60 Prozent eingebrochen. Im ersten Quartal rutschte das Geldhaus wegen der Corona-Krise in die roten Zahlen. Das Ziel eines Gewinns im laufenden Jahr sei "sehr ambitioniert", erklärte die Bank im Mai. Nun zeichnen sich auch noch Belastungen aus der Wirecard-Pleite ab, einen 200 Millionen Euro schweren Kredit an den Zahlungsanbieter muss das Geldhaus wohl abschreiben. Analysten erwarten sowohl in diesem als auch im nächsten Jahr einen Verlust.

Angesichts der schlechten Kursentwicklung hatte Cerberus im Juni eine öffentliche Kampagne gegen die Commerzbank-Führungsspitze gestartet. Mit seiner Kritik an den wenig ambitionierten Plänen für den Konzernumbau sprach er vielen Investoren und wohl auch dem Bund aus dem Herzen. Die Kampagne führte vor einem Monat zu den überraschenden Rücktritten von Aufsichtsratschef Schmittmann und Vorstandschef Zielke.