BRÜSSEL (dpa-AFX) - Vor der Ratifizierung des Brexit-Abkommens im Europaparlament haben Abgeordnete am Mittwoch noch einmal Bedauern über den EU-Austritt Großbritanniens geäußert. Gleichzeitig erinnerten sie daran, dass nun bis zum Jahresende harte Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zwischen Brüssel und London anstehen. Bundesaußenminister Heiko Maas sprach von einer "Herkulesaufgabe". Die EU-Kommission kündigte eng getaktete Verhandlungsrunden an, weil nur elf Monate bleiben.

Großbritannien will die Europäische Union am Freitag nach mehr als 47 Jahren Mitgliedschaft verlassen. Das Ende 2019 vereinbarte Austrittsabkommen steht am Mittwochabend im EU-Parlament zur Abstimmung. Eine Mehrheit gilt als sicher. Viele Abgeordnete bedauern zwar die Trennung, wollen mit dem Vertrag aber Chaos vermeiden.

Wichtigster Punkt ist eine geplante Übergangsfrist bis zum Jahresende, in der sich im Alltag zunächst nichts ändert. Großbritannien bleibt in der Zeit wie bisher Teil des EU-Binnenmarkts und der Zollunion, beim Reisen oder auch im Warenverkehr bleibt alles wie gehabt. In der elfmonatigen Frist soll ausgehandelt werden, wie es ab kommendem Jahr weitergeht.

Außenminister Maas schrieb auf "Zeit online", die Verhandlungen könnten nur gelingen, wenn "wir offen und fair miteinander umgehen". An Großbritannien richtete der SPD-Politiker die Forderung: "null Dumping und null unfairer Wettbewerb". "Und ohne ähnliche Standards beim Schutz von Arbeitnehmerinnen und Verbrauchern, aber auch der Umwelt, kann es keinen vollen Zugang zum größten Binnenmarkt der Welt geben." Doch dürfe Großbritannien für den Austritt auch nicht abgestraft werden.

Die SPD-Europaabgeordnete Gabriele Bischoff äußerte sich über die anstehenden Verhandlungen ähnlich, wandte aber auch noch einmal den Blick zurück: "In der sozialdemokratischen Fraktion verabschieden wir uns schweren Herzens von Kolleginnen und Kollegen, die sich der europäischen Integration jahrzehntelang mit vollem Einsatz gewidmet haben. Dieser Tag sollte uns allen eine Mahnung sein, was aus dem populistischen Leichtsinn arroganter Eliten heraus resultieren kann."

Der Grünen-Außenpolitiker Reinhard Bütikofer meinte: "Es wird eine schwierige Übung, sich daran zu gewöhnen, dass das Vereinigte Königreich künftig zu den europäischen Akteuren gehört, für die der Auswärtige Ausschuss zuständig ist." Bei der Gestaltung des Brexits sollte sich das Europaparlament einbringen, so Bütikofer. Der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese warnte vor einem Scheitern der Verhandlungen über die künftigen Beziehungen. In dem Fall könnte die Versorgung mit Arzneien und Medizinprodukten problematisch werden, meinte der Gesundheitsexperte.

Der britische Europaabgeordnete und Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage zeigte sich indes hocherfreut über seinen Abschied aus Brüssel. "Es gibt nur sehr wenige Menschen im Leben, vor allem in der Politik, die ihren Traum vollenden, und in vieler Hinsicht ist mir das gelungen", sagte der 55-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.

Vor dem britischen EU-Austritt am 31. Januar um Mitternacht müssen auch die 27 bleibenden EU-Staaten dem Vertrag noch einmal zustimmen. Auch das gilt als Formsache./vsr/DP/jha