BERLIN/MOSKAU (dpa-AFX) - In der diplomatischen Krise zwischen Deutschland und Russland halten sich beide Seiten über ihr weiteres Vorgehen bedeckt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) riet am Donnerstag in Berlin dazu, die Ermittlungen zu dem mutmaßlichen Auftragsmord an einem Georgier abzuwarten. Russlands Außenminister Sergej Lawrow ließ unterdessen offen, mit welchen konkreten Schritten Moskau auf die Ausweisung zweier russischer Diplomaten aus Deutschland reagiert.

Am 23. August war ein 40 Jahre alter Georgier in einem Berliner Park erschossen worden. Wegen des Verdachts, dass staatliche Stellen in Russland oder in der Teilrepublik Tschetschenien den Mord in Auftrag gegeben hatten, übernahm am Mittwoch die Bundesanwaltschaft den Fall. Im Zuge dieser Ermittlungen wies Deutschland zwei russische Diplomaten aus. Russland kündigte im Gegenzug eigene Schritte an.

Zu möglichen weitergehenden Maßnahmen wollte sich die Kanzlerin auf Nachfrage von Journalisten nicht äußern. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem kasachischen Präsidenten Kassym-Shomart Tokajew verwies Merkel darauf, dass bislang lediglich ein Anfangsverdacht vorliege. Deshalb wolle sie keine spekulativen Fragen beantworten, sondern die Arbeit des Generalbundesanwalts abwarten. Tags zuvor hatte Merkel deutliche Kritik an Russland geübt und dem Land fehlende Unterstützung bei der Aufklärung des Falls vorgeworfen.

Lawrow wies diesen Vorwurf zurück. "Mir ist nicht bekannt, worauf sich so eine Einschätzung stützt", sagte er der Agentur Interfax zufolge bei einem Besuch in Bratislava. Es gebe zahlreiche Kanäle zwischen Berlin und Moskau, die genutzt würden. Lawrow beklagte, dass ihn das Vorgehen an den Fall des über der Ostukraine abgeschossenen malaysischen Flugzeugs MH17 erinnere. Die Ermittler gehen davon aus, dass es dazu enge Verbindungen zwischen den Separatisten und Russland gab. Moskau bestreitet jedoch vehement, etwas mit dem Abschuss zu tun zu haben. "Wenn unsere deutschen Partner sich diesen Fall nun als Muster nehmen, dann gibt es kein Vorankommen", warnte Lawrow.

Das Mordopfer von Berlin soll nach Angaben der Bundesanwaltschaft Anfang der 2000er-Jahre auf der Seite muslimischer Tschetschenen gegen Russland gekämpft haben. Auf den Mann habe es im Mai 2015 in der georgischen Hauptstadt Tiflis schon einmal einen Mordanschlag gegeben, den er verletzt überlebte. Die russische Agentur Interfax meldete inzwischen unter Berufung auf eine nicht näher genannte Quelle, der Mann habe im Nordkaukasus die Ausbildung von Selbstmordattentätern beaufsichtigt.

Auch in Brandenburg - wo der Mann nach seiner Einreise zunächst gelebt hatte - wurde er nach dpa-Informationen als islamistischer "Gefährder" eingestuft. Das bedeutet, dass man ihm einen Terroranschlag oder eine andere politisch motivierte Straftat von erheblicher Bedeutung zutraut. Ursache dafür waren unter anderem Informationen, die er im Asylverfahren über seine früheren Kontakte zu führenden tschetschenischen Islamisten machte. Da die Polizei dann aber keine Hinweise auf entsprechende Aktivitäten des Georgiers in Deutschland fand, wurde er später - da lebte er schon in Berlin - nur noch als "relevante Person" im extremistischen Spektrum eingestuft./ax/thc/abc/cht/DP/men