Von Rochelle Toplensky

LONDON (Dow Jones)--Höhere Energiepreise bereiten Verbrauchern und Zentralbankern in diesem Winter Sorgen. Aber sie haben auch einen gewissen Nutzen. Ein Beispiel dafür ist die Ankurbelung der Revolution im Bereich der erneuerbaren Energien. Nach einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) wird 2021 ein weiteres Rekordjahr für den Bau von Wind- und Solarparks sein. So erwarten Experten, dass rund 290 Gigawatt (GW) Stromerzeugungskapazität installiert werden - 3 Prozent mehr als im außergewöhnlich starken Jahr 2020. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen, denn bis 2026 rechnen Fachleute jährlich durchschnittlich mit 305 GW.

Die Investitionen erfolgen trotz deutlich höherer Kosten. In den vergangenen zwei Jahren haben sich die Frachtraten fast versechsfacht. Die Kosten für das in Solarzellen verwendete Polysilizium haben sich mehr als vervierfacht, und die Preise für Stahl, Kupfer sowie Aluminium - wichtige Inputs für Zellen, Turbinen und elektrische Verbindungen - sind um die Hälfte oder mehr geklettert. Trotzdem werden die Argumente für den Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugung durch die höheren Strompreise weiterhin verstärkt. Die Großhandelspreise für Strom sind weltweit gestiegen - in Großbritannien, in Spanien und in Deutschland um mehr als das Doppelte -, was zum Teil an einem weltweiten Bieterwettbewerb bei Gas, Kohle und anderen Brennstoffen für Heizung und Strom liegt. Diese Preisänderungen haben kaum Auswirkungen auf die Rentabilität bestehender Wind- oder Solarparks, die ihren Strom in den ersten 10 bis 25 Jahren oft zu den vertraglich vereinbarten Tarifen verkaufen. Aber sie haben die Bedingungen für neue Projekte verbessert.


   Regierungen treiben Wende der Klimapolitik voran 

Projekte für erneuerbare Energien erhalten auch durch die zunehmend ehrgeizige Klimapolitik von Regierungen und Unternehmen Auftrieb. Die Staaten haben 480 Milliarden US-Dollar für saubere Energie versprochen, wobei der Großteil davon vor 2024 ausgegeben werden soll. Nach Schätzungen der IEA werden erneuerbare Energien bis 2026 zur weltweit größten Stromquelle werden, wobei sie in Europa die Hälfte, in China 40 Prozent und in den USA sowie Indien 30 Prozent des Strommixes ausmachen dürften. Die diesjährigen Engpässe in der Versorgungskette haben den langfristigen Trend zu dramatischen Kostensenkungen in der Branche umgekehrt. In den vergangenen zwölf Jahren sind die Kosten für Solarmodule und Windturbinen um jeweils 90 Prozent bzw 70 Prozent gesunken. Doch die jüngste Kosteninflation hat sie in den meisten Ländern um 10 Prozent bis 25 Prozent teurer gemacht als im Durchschnitt der vergangenen zwei Jahre.

Dies hat den Herstellern von Turbinen und Modulen Kopfzerbrechen bereitet. Sie haben die Preise für neue Verträge erhöht, aber die Gewinnspannen einiger bestehender Verträge wurden trotz Rohstoffabsicherungen und Bemühungen, die Frachtkosten durch eine stärkere lokale Beschaffung einzudämmen, beeinträchtigt. Der Windkraftanlagenhersteller Siemens Gamesa gab in diesem Jahr zwei Gewinnwarnungen aus. Die Kosteninflation könnte auch bei Entwicklern erneuerbarer Energien Magenschmerzen auslösen. Während sich neue Projekte ansammeln, gibt es laut IEA für etwa 100 GW laufende Projekte, bei denen man davon ausging, dass die Kosten weiter sinken würden. Diese könnten sich verzögern oder Schwierigkeiten haben, Renditen zu erzielen.


   Höhere Zinsen sind Gefahrenquelle für Energiewende 

Solange sich die Rohstoffpreise und Frachtraten in den nächsten ein bis zwei Jahren normalisieren, erwartet die IEA jedoch nicht, dass die Kosteninflation den Ausbau der erneuerbaren Energien aus der Bahn werfen wird. Längerfristig geht das größte Risiko vielleicht von höheren Zinssätzen aus, da die Finanzierung einen erheblichen Teil der Projektkosten ausmacht. Auf der anderen Seite würde die Wirtschaftlichkeit der Projekte durch politische Veränderungen verbessert, die die ökologische Entwicklung beschleunigen. Das könnte zum Beispiel durch schnellere Genehmigungen, mehr Netzanschlüsse oder höhere Auktionskapazitäten geschehen.

Die Bemühungen der Regierungen, das Tempo zu erhöhen, scheinen im Anschluss an die COP26-Klimakonferenz wahrscheinlich. Selbst der von der IEA prognostizierte rasche Ausbau der erneuerbaren Energien würde jedoch nicht ausreichen, um die Kohlendioxidemissionen bis 2050 auf Null zu senken - ein zunehmend verbreitetes Ziel. Erneuerbare Energien bleiben die dominierende Wachstumsgeschichte in der globalen Energiewirtschaft, und die Wendungen dieses Jahres ändern nichts am wahrscheinlichen Ausgang.

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December 02, 2021 04:30 ET (09:30 GMT)