Von Stephen Wilmot

NEW YORK (Dow Jones)--Die Blockade des Suezkanals verlängert eine Periode ungewöhnlicher Turbulenzen für die globalen Lieferketten und außerordentlicher Gewinne für die Schifffahrtsindustrie. Investoren wetten derweil auf eine Rückkehr zur alten Normalität, aber das Datum, ab wann diese eintritt, wird immer weiter nach hinten verschoben.

Das gigantische Schiff, das im Suezkanal gestrandet ist und mittlerweile wieder befreit wurde, krönt ein Jahr mit außergewöhnlichen Dramen für die Schifffahrt. Das Containervolumen brach in der ersten Welle der Pandemie ein, erholte sich aber viel schneller und weiter als erwartet, da die westlichen Verbraucher ihr Geld für Haushaltswaren ausgaben, die oft aus Asien importiert werden. Der Konsum für Reisen und heimische Dienstleistungen ging zugleich in die Knie.


   Historischer Anstieg der Frachtraten 

Dies trug zu einem historischen Anstieg der Frachtraten bei, der sich bis jetzt noch nicht abgekühlt hat. Der China Containerized Freight Index, ein Branchenmaßstab, der in den vergangenen Jahren zwischen 600 und 900 schwankte, liegt jetzt bei 1.864. Unternehmen, die auf den globalen Handel angewiesen sind, sehen sich mit höheren Kosten konfrontiert, und die Schiffseigner erhalten mehr als das Doppelte für die Bereitstellung ihrer Dienste. Die Gewinne des dänischen Riesen AP Moeller-Maersk, der weltgrößten Containerschifffahrtsgesellschaft, brachen im vierten Quartal Rekorde, und es wird erwartet, dass dieses Quartal noch besser ausfällt.

Der Suez-Stau wird die Unterbrechungen verlängern. Etwa 12 Prozent des Welthandels passiert den Kanal, so die Reederei Maersk, von der neun Schiffe direkt betroffen sind. Angesichts der angespannten Marktlage werden die Lieferketten und am Ende also die Endverbraucher die Zeche zahlen.


   Hinter Reedereien liegt lange Zeit der Dürre 

Über weite Strecken der jüngeren Geschichte herrschten die entgegengesetzten Bedingungen. Die Schifffahrt profitierte nur wenig vom Globalisierungstrend, da der Seehandel immer reibungsloser, unsichtbarer und standardisierter wurde. Ökonomen gehen in ihren Modellen gerne davon aus, dass keine Transportkosten anfallen, und bis vor kurzem war das für große globale Unternehmen auch nicht übertrieben.

Die Anleger gehen im Großen und Ganzen davon aus, dass sich die Lieferketten nach der Pandemie, wenn es schließlich so weit ist, nicht von den alten unterscheiden werden. Während die Maersk-Aktie nahe einem Rekordhoch steht, bleibt sie im Verhältnis zu den Gewinnerwartungen auf einem etwa vierjährigen Tiefstand, was zeigt, dass die Investoren die heutige Rentabilität als Ausnahme betrachten. Die Aktienkurse vieler Unternehmen, die auf einen billigen und effizienten globalen Transport angewiesen sind, von Nike bis Toyota, befinden sich ebenfalls in der Nähe von Rekorden.


   Reedereien könnten aus Schaden klug geworden sein 

Die Hoffnung für die Schifffahrt - und das Risiko für die globalen Lieferketten - besteht darin, dass die Branche aus ihrer langen Periode, in der sie unterdurchschnittliche Renditen erzielte, gelernt hat. Während der ersten Welle der Pandemie brachen die Preise nicht wie erwartet ein, als die Nachfrage schwere Schlagseite hinnehmen musste, da die Reedereien ihre Kapazitäten zurückhielten. Manche sehen das als Beweis dafür an, dass sie auch diszipliniert bleiben können, wenn die Wirtschaft wieder anspringt und sich das Interesse der Verbraucher von Kaffeemaschinen und Fernsehern wegbewegt, wie Casper Blom von der Osloer Investmentbank ABG Sundal Collier meint.

Dieses Szenario ist keineswegs sicher, aber es lohnt sich, es zu beobachten. Die Chefs der Lieferkette bei großen Importeuren wie Walmart können möglicherweise nicht immer auf die gleiche Verhandlungsmacht gegenüber der Schifffahrtsindustrie zählen, die sie in den vergangenen Jahren genossen haben. Die anhaltende Periode von Staus und atemberaubend hohen Raten ist eine extreme Erinnerung daran, wie sich das anfühlen könnte.

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March 29, 2021 05:27 ET (09:27 GMT)