Die Übersicht in Kurzmeldungen zu Entwicklungen, Ergebnissen und Einschätzungen rund um die bundesdeutsche Politik:


SPD-Politiker machen bei Schuldenbremse Druck 

Nach dem Verfassungsurteil und der dadurch entstandenen Haushaltskrise drängen SPD-Politiker darauf, noch in diesem Jahr einen Finanzplan für 2024 zu verabschieden. Dafür müsste sich die Ampel auf eine erneute Aussetzung der Schuldenbremse verständigen. Die FDP habe den Schulden um Klima- und im Wirtschaftsstabilisierungsfonds zugestimmt, sagte SPD-Verkehrsexpertin Isabel Cademartori dem Spiegel. "Jetzt geht es 'nur' darum, diese Grundsatzentscheidung für die Jahre 23 und darüber hinaus erneut zu bekräftigen, nicht 'neuen' Schulden zuzustimmen." Wirtschaft und Verbraucher bräuchten Planungssicherheit. "Es ist jetzt an der FDP, staatspolitische Verantwortung zu übernehmen." Georg Maier, SPD-Vorsitzender und Innenminister in Thüringen, warnte vor einem Nothaushalt. "Es darf nicht zur vorläufigen Haushaltsführung kommen", sagte er. "Die Länder brauchen Planungssicherheit für 2024." Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff betonte, es gebe keine ernsthafte Alternative zur erneuten Aussetzung der Schuldenbremse.


BDI fordert schnellen Beschluss von Entlastungsgesetz 

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat auf eine schnelle Verabschiedung des Wachstumschancengesetzes gedrungen, das Entlastungen von 7 Milliarden Euro für die Wirtschaft vorsieht. "Das Wachstumschancengesetz ist ein zentraler Hebel, um der Wirtschaft mit Investitionsanreizen und verbesserten Unternehmenssteuern den Rücken zu stärken", erklärte der Verband. "Es muss jetzt schnell in Kraft treten, denn gerade in der aktuellen Lage wäre das ein wichtiges Signal zur Vertrauensbildung und Reduzierung von Unsicherheit." Der BDCI appellierte anlässlich der anstehenden Behandlung im Bundesrat, jetzt rasch zu einem erfolgreichen Abschluss der parlamentarischen Beratungen zu kommen. Deutschlands Wirtschaft brauche dieses Signal und dürfe im internationalen Vergleich nicht noch weiter zurückfallen. "In einer so angespannten Haushaltslage müssen die in dem Gesetz vorgesehenen Entlastungen für die Wirtschaft zu den Prioritäten zählen", betonte der BDI. Verschärfungen bei der Unternehmensbesteuerung, wie Verschlechterungen bei der Verlustverrechnung oder gar Steuererhöhungen, wären "höchst wachstumsschädlich".


Umweltverbände fordern Rückbesinnung der Grünen auf ihre Wurzeln 

Umweltverbände erwarten vor dem Bundesparteitag der Grünen wieder mehr Engagement der Partei für Klimaschutz. "Bündnis 90/Die Grünen müssen in ihrem Wahlprogramm deutlich machen, dass der Green Deal der EU ausgeweitet und auch in der kommenden Legislatur mit Nachdruck vorangebracht werden muss", sagte Patrick Rohde, stellvertretender Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Rheinischen Post. Der Verband fordere "klare Kante gegen Scheinlösungen, die den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen weiter verzögern würden". Rohde kritisierte besonders Vorhaben, sich der unterirdischen CO2-Speicherung zu öffnen. Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, kritisierte diese Methode ebenfalls und betonte, die Grünen müssten sich auf EU-Ebene stärker für Klimaneutralität bis 2050 einsetzen. "Dazu gehört ein klares Bekenntnis für 100 Prozent erneuerbare Energien und gegen den Ausbau neuer fossiler Infrastruktur wie LNG-Terminals und Anlagen zur Kohlenstoffspeicherung."


Institute uneins über Umgang mit Intel-Subvention 

Der Vizepräsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Oliver Holtemöller, verlangt vom Bund, an der milliardenschweren Subvention für die Intel-Chipfabriken in Magdeburg trotz Haushaltssperre festzuhalten. Dagegen fordert der Konjunkturchef des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Stefan Kooths, den Bund auf, nun auf die milliardenschweren Hilfen für den Chiphersteller zu verzichten. "Die Planbarkeit und die Zuverlässigkeit der Wirtschaftspolitik sind für ein gutes Investitionsklima wichtig. Es dürfte der Bundesregierung letztlich nichts anderes übrig bleiben, als eine alternative Finanzierung für die zugesagten Subventionen zu finden", sagte Holtemöller der Rheinischen Post. Kooths erklärte, ein Rückzieher "würde zwar Kratzer hinterlassen. Allerdings wäre der Anlass hierzu - der Verfassungsverstoß in der Haushaltsaufstellung - so einmalig, dass das Vertrauen in das Verwaltungshandeln in Deutschland nicht erschüttert werden dürfte". Ohnehin seien die industriepolitischen Subventionen an Chip-Hersteller "aus marktwirtschaftlicher Sicht sehr problematisch".


DIW fordert Ausrufen des Klimanotstandes 

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) spricht sich für das sofortige Aussetzen der Schuldenbremse und ein Ausrufen des Klimanotstandes aus, um notwendige Initiativen für den Klimaschutz weiter finanzieren zu können. "Wir stecken mitten in einer tiefgreifenden Klimakrise, die nicht in einem Jahr, sondern nur über Jahrzehnte gelöst werden kann. Wir sollten jetzt den Klimanotstand aussprechen, um wieder handeln zu können", sagte DIW-Energieökonomin Claudia Kemfert der Funke-Mediengruppe. Sogar das Bundesverfassungsgericht habe bereits 2021 entschieden, dass Klimaschutz eine zentrale Aufgabe des Staates sei. Erstmal sei es nötig, "akut die Schuldenbremse auszusetzen", so Kemfert. "Das heißt nicht, dass das dauerhaft so bleibt; wir brauchen aber mehr Flexibilität." In den vergangenen 15 Jahren sei zu wenig getan worden. Die Ökonomin forderte zudem das Streichen fossiler Subventionen wie des Diesel- und Dienstwagenprivilegs.


FDP-Politiker lehnen Ausrufung von neuer Haushaltsnotlage ab 

In der Debatte um Konsequenzen aus dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts hat FDP-Vizeparteichef Wolfgang Kubicki Überlegungen zur Ausrufung einer neuen fiskalpolitischen Notlage für die Jahre 2023 und 2024 abgelehnt. Er sehe solche Überlegungen "kritisch", sagte Kubicki der Rheinische Post. "Denn faktisch entsteht die Notlage ja durch die Auswirkungen der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes - und nicht durch neue, eine Notlage rechtfertigende Erkenntnisse", fügte der Politiker an. "Wir sollten jeglichen Eindruck vermeiden, dass mit vermeintlichen oder tatsächlichen Buchungstricks eine selbstgeschaffene problematische Lage überbrückt werden soll", sagte Kubicki. Auch FDP-Haushaltsexperte Frank Schäffler lehnte derartige Überlegungen ab. "Die Frage einer Notlage für 2024 sehe ich derzeit nicht. Sie hätte unter den aktuellen Umständen vor dem Verfassungsgericht auch keinen Bestand", sagte er der Rheinischen Post.


Städte- und Gemeindebund fordert Stopp neuer Leistungsgesetze 

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund wirbt nach dem Karlsruher Urteil zum Bundeshaushalt für eine Begrenzung von Sozialleistungen statt einer Lockerung der Schuldenbremse. Es fehlten nun Dutzende Milliarden Euro etwa für die Wärmewende und andere Investitionen, gleichzeitig stiegen die Ausgaben für soziale Leistungen "immer weiter", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der Neuen Osnabrücker Zeitung. "Notwendig ist deshalb ein sofortiger Stopp von neuen Leistungsgesetzen, um die Spielräume zu sichern. Die Politik muss klare Prioritäten festsetzen und sich dran halten." Es brauche einen klaren Vorrang von Investitionen gegenüber weiteren Sozialleistungen, denn schon jetzt vollziehe sich in Deutschland "ein beängstigender Abstieg". Landsberg forderte "endlich eine Wende in der Politik". Dazu gehöre "ein fester Plan, wie wir die Infrastruktur, insbesondere in den Kommunen, nachhaltig wiederherstellen und die notwendigen Investitionen ermöglichen".


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November 23, 2023 06:11 ET (11:11 GMT)