FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 30. Dezember 2015. Aktionäre können durchaus zufrieden auf das abgelaufene Jahr zurückblicken. Auch für 2016 rechnen die meisten Analysten mit steigenden Notierungen.

Über 9 Prozent hat der DAX 2015 zugelegt, der Euro Stoxx 50 gut 4 Prozent, nur der US-Markt hat sich, gemessen am S&P 500, kaum bewegt.

In Europa war das Jahr ein gutes Aktienjahr. Die hiesigen Anleger, die in den USA aktiv sind, profitierten vom US-Dollar-Anstieg und kamen somit ebenfalls auf ihre Kosten.

Doch auch Anleihen haben sich weiter verteuert: Der Euro-Bund-Future, das Barometer für die langfristigen Zinserwartungen, ist nach dem deutlichen Rückgang im Frühling seit Juni wieder gestiegen, aktuell liegt der Index mit 157,84 Prozent zumindest etwas über dem Niveau vor einem Jahr.

Besonders viel Bewegung gab es bei den Wechselkursen, vor einem ¬-Jahr mussten für einen Euro noch 1,22 US-Dollar gezahlt werden, im März waren es zwischenzeitlich weniger als 1,05, aktuell sind es 1,09 US-Dollar.

Rohstoffe haben sich unterdessen weiter verbilligt, der Rohstoffindex S&P GSCI ist um rund ein Drittel gefallen. Ein Barrel Öl der Sorte Brent kostete vor einem Jahr noch 57 US-Dollar, jetzt sind es nur noch 37 US-Dollar. Auch die Notierungen für Gold stehen niedriger, von 1.183 auf 1.069 US-Dollar je Unze.

Für 2016 rechnen die meisten Analysten mit weiter steigenden Aktienkursen in Europa, bezüglich der USA ist die Skepsis angesichts der angehobenen Leitzinsen größer. In den USA werden weiter anziehende Zinsen erwartet, für die Eurozone meist anhaltend niedrige Zinsen.

Dass der Euro gegenüber dem US-Dollar schwach bleiben wird, ist mehr oder weniger Konsens, ob tatsächlich die Parität, also ein 1 zu 1 Verhältnis, erreicht oder sogar unterschritten wird, ist allerdings umstritten. Kritisch bleiben die meisten Analysten gegenüber Rohstoffen und Schwellenländern.

Geldpolitik treibt Kurse weiter

"Die Aktienmärkte der Eurozone profitieren auch 2016 grundsätzlich weiter von einer Liquiditätshausse", meint Robert Halver von der Baader Bank. Die renditedrückende Wirkung der EZB-Anleiheaufkäufe verhindere auch im neuen Jahr wettbewerbsfähige Anlagealternativen am Rentenmarkt.

Das sieht die Helaba ähnlich: "Das fortgesetzte Anleihekaufprogramm der EZB ermöglicht den europäischen Aktienmärkten neue Rekorde", heißt es im Jahresausblick der Bank. Für den DAX seien vorübergehend Notierungen deutlich über der 12.000-Punkte-Marke zu erwarten.

Am Devisenmarkt stütze die geldpolitische Ausrichtung zwar grundsätzlich den US-Dollar, stärkere Ausschläge würden aber von EZB und Fed abgefangen - nicht zuletzt um die jeweilige Exportwirtschaft zu unterstützen. Die Helaba-Experten erwarten für den Euro/US-Dollar-Kurs 2016 eine Seitwärtsbewegung, zum Jahresende werden 1,05 US-Dollar zum Euro prognostiziert.

Nur moderate Zinsschritte in den USA

"Da wir auch im kommenden Jahr für die USA von lediglich drei Leitzinserhöhungen mit 0,25-prozentigen Zinsschritten ausgehen, dürfte sich das Ende der Nullzinspolitik nicht als Stolperstein erweisen", kommentiert unterdessen die LBBW. Deshalb und angesichts des monetären Expansionskurses der EZB, eines nach wie vor günstigen Gewinnpotenzials und fehlender Anlagealternativen raten die Analysten in einem gemischten Portfolio weiterhin zu einer Übergewichtung von Aktien. Per Jahresende 2016 werden für den DAX 12.000 Punkte vorhergesagt, den Euro sehen die Analysten dann bei 1,08 US-Dollar.

Für die Deutsche Bank ist die US-Zinserhöhung in Kombination mit einer "akkomodierenden Sprache der Fed" Basis des Ausblicks auf das Jahr 2016, wie Stefan Kreuzkamp, Chief Investment Officer im Asset Management, erläutert: Dementsprechend bleibt die Bank bei ihrem konstruktiven Ausblick für die Aktienmärkte der großen Industriestaaten - mit einer leichten Präferenz der Eurozone und Japans gegenüber dem US-Markt.

"Unsere Kursziele zum Jahresende 2016 liegen bei 2.170 Punkten für den S&P 500, 11.700 für den Dax, 3.600 für den EuroStoxx 50 und 1.030 für den MSCI Japan." Mit Blick auf die Sektoren favorisiert die Bank Technologie, zyklische Konsumgüter und Finanzwerte. "Vor allem letztere haben sich in der Vergangenheit stets sehr stark entwickelt, sobald Zentralbanken die Zinsen erhöht haben."

Skepsis gegenüber Schwellenländern

Die Kombination aus moderatem Weltwirtschaftswachstum und mehrheitlich expansiver Geldpolitik komme riskanteren Vermögenswerten wie Aktien zugute, meint Christophe Bernard von Vontobel. "Die Bewertungen sind bestenfalls fair."

Staatsanleihen der europäischen Kernländer - allen voran deutsche Bundesanleihen - und US-Treasuries würden voraussichtlich geringe Verluste erleiden. Gleichzeitig werde sich das Segment der Unternehmensanleihen, beispielsweise hochverzinsliche Papiere, gut behaupten, da eine Rezession ziemlich unwahrscheinlich sei.

"Ob sich Aktien und Anleihen der aufstrebenden Volkswirtschaften erholen, hängt stark von der Stabilisierung der Rohstoffpreise ab", ergänzt Bernard. Die aktuelle Reaktion auf der Angebotsseite scheine nicht auszureichen, um die Märkte ins Gleichgewicht zu bringen. "Unter dem Strich sind die Aussichten auf hohe Renditen auf den Finanzmärkten relativ verhalten, da hyperaktive Währungshüter die Bewertungen in die Höhe getrieben haben."

Nochmalige Lockerung im Euroraum?

"2016 wird sich für Investoren einiges ändern", bemerkt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, mit Blick auf die höheren US-Leitzinsen. "Die Rohstoffpreise dürften nach ihrer mehrjährigen Talfahrt zumindest einen Boden finden." Vieles werde einem 2016 allerdings auch bekannt vorkommen: Die Konjunktur in den USA laufe, während im Euroraum der Knoten wohl erneut nicht platzen werde. "Deshalb dürfte die EZB ihre Geldpolitik im Zweifel weiter lockern, was wiederum den Euro belasten und den Aktien Rückenwind geben werde. "Das größte Risiko bleiben die Emerging Markets."

Im Gegensatz zu 2015 werde die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen 2016 keine neuen Tiefs markieren, sondern unter deutlichen Schwankungen moderat steigen.

Das DAX-Ziel für Ende nächsten Jahres liegt bei 12.600 Punkten. "Im Jahresverlauf dürfte der DAX natürlich immer wieder absacken - etwa wegen Sorgen um China."

Der Euro/US-Dollar-Wechselkurs werde sich voraussichtlich in Richtung Parität bewegen - wegen der klar divergierenden Geldpolitik in den USA und im Euroraum.

von Anna-Maria Borse, Deutsche Börse AG

© 30. Dezember 2015

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