BRÜSSEL (dpa-AFX) - Angesichts einer massiven Corona-Welle in China und der Sorge vor neuen Virusvarianten ringt die EU um eine gemeinsame Linie im Umgang mit Einreisenden aus der Volksrepublik. Bei Beratungen der 27 Mitgliedstaaten in Brüssel stand am Mittwoch vor allem eine Testpflicht vor Reisen aus China nach Europa im Raum. Auch Deutschland warb für ein einheitliches Vorgehen - setzt aber auf eine Überwachung verschiedener Virusvarianten. Die Regierung in Peking hatte sich zuletzt gegen strikte Einreisebestimmungen für Reisende aus der Volksrepublik ausgesprochen.

Knapp einen Monat nach dem Ende der fast drei Jahre verfolgten Null-Covid-Strategie haben sich in der Volksrepublik bereits einige Hundert Millionen Menschen mit dem Virus infiziert. Der riesige Ausbruch soll den Erwartungen nach noch bis März oder April andauern. Genaue Zahlen liegen nicht vor, weil die Behörden aufgehört haben, epidemiologische Daten zu veröffentlichen.

Seit Ende Dezember ringen die EU-Staaten um eine gemeinsame Linie im Umgang mit der Corona-Welle. Etliche Staaten wie Italien, Frankreich oder Spanien verschärften die Einreiseregeln allerdings bereits. Dies weckte Erinnerungen an den Beginn der Corona-Pandemie, als die Regeln in der EU von Land zu Land verschieden und für Reisende schwer zu überblicken waren. Bei einem Treffen in Brüssel suchten Gesundheitsexperten der 27 EU-Staaten am Mittwoch deshalb nach einer gemeinsamen Linie. Das Treffen sollte bis zum Abend andauern.

Bereits am Dienstag wurde bei einem Treffen auf EU-Ebene deutlich, dass es unter anderem auf eine Testpflicht für Reisende vor dem Abflug aus China hinauslaufen könnte. "Die überwältigende Mehrheit der Länder befürwortet Tests vor der Abreise", teilte ein Sprecher EU-Kommission mit. Andere Maßnahmen könnten etwa die Überwachung des Abwassers von Flugzeugen, eine verstärkte Sequenzierung von Corona-Proben sowie das Tragen von Masken auf Flügen aus China sein.

Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC gab mit Blick auf die Lage in China dagegen Entwarnung. Die Varianten in der Volksrepublik seien auch in der EU schon im Umlauf und stellten deshalb keine Herausforderung für die Immunantwort von EU-Bürgern dar, hieß es am Dienstag. Die Lage in China habe voraussichtlich keine Auswirkungen auf die epidemiologische Situation in Europa.

Die Weltgesundheitsorganisation äußerte am Mittwoch dagegen Verständnis für Länder, die Testvorschriften für Reisende aus China eingeführt haben - und forderte erneut mehr Informationen von den chinesischen Behörden. "Wir fordern von China weiterhin schnellere, regelmäßige und verlässliche Daten über Krankenhauseinweisungen und Todesfälle sowie eine umfassendere Sequenzierung von Viren in Echtzeit", sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. "Weil die Viruszirkulation in China so hoch ist und umfassende Daten nicht geliefert werden, ist es verständlich, dass einige Länder Maßnahmen ergreifen, um ihre eigenen Bürger zu schützen." Die Forderung nach Tests seien keine Reisebeschränkungen, sagte WHO-Nothilfekoordinator Mike Ryan.

Der Verband der Fluggesellschaften IATA kritisierte die Testpflicht, die mehrere Länder bereits eingeführt haben, dagegen. Solche Maßnahmen könnten nach wissenschaftlichen Studien die Ausbreitung von Virus-Varianten allenfalls um ein paar Tage verzögern, teilte IATA-Chef Willie Walsh am Mittwoch mit. Der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, sprach sich dagegen für eine europaweite PCR-Testpflicht für alle Reisenden aus China aus. "Wir wissen nicht, was in China derzeit passiert. Die Infektionen laufen völlig unkontrolliert ab. Daher halte ich es für sinnvoll, eine PCR-Testpflicht bei der Einreise vorzuschreiben", sagte er der "Rheinischen Post"./wim/DP/ngu