Berlin (Reuters) - Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) sieht in der 2023 erneut gesunkenden Zahl der Selbstständigen einen Grund zur Sorge.

"Der Negativtrend bei den Gründungen ist eine ernstzunehmende Herausforderung für unsere Wirtschaft", sagte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. "Uns geht dadurch wirtschaftliches Potenzial verloren." Unternehmerische Kreativität sei wichtig, um Herausforderungen wie die Transformation zur nachhaltigen Wirtschaft zu bewältigen. Das Statistische Bundesamt hatte zuvor mitgeteilt, dass sich 2023 der seit nunmehr zwölf Jahren anhaltende Abwärtstrend bei den Selbstständigen fortgesetzt hat: Ihre Zahl einschließlich mithelfender Familienangehöriger sank um 30.000 oder 0,8 Prozent auf 3,9 Millionen.

"Vor allem klassische Branchen wie der Handel, Dienstleistungen sowie das Gastgewerbe berichten von einer zu geringen Zahl an Interessenten für die Unternehmensnachfolge", sagte Dercks. Aber auch in Zukunftsbranchen wie Informations- und Kommunikationstechnologien oder unternehmensnahen Dienstleistungen flaue das Interesse deutlich ab. Das berichten die Beraterinnen und Berater für Existenzgründung der regionalen Industrie- und Handelskammern (IHKs). "Ein Teil des Rückgangs erklärt sich durch die Altersentwicklung der Bevölkerung", sagte der DIHK-Experte dazu. "Es gibt weniger Menschen in den besonders gründungsaktiven Jahrgängen zwischen 20 und 40 Jahren."

Der Rückgang sei jedoch nicht allein mit der demographischen Entwicklung zu erklären. "Gerade gut qualifizierte Menschen finden in Zeiten des Fachkräftemangels gute attraktive Perspektiven in Festanstellungen", sagte Dercks. Gleichzeitig bremsten unsichere Rahmenbedingungen wie der Fortgang des Ukrainekrieges, die hohen Energiekosten, die hartnäckige Inflation sowie bürokratische Hürden und eine schwankende Wirtschaftspolitik den Trend zur Selbstständigkeit. Die Politik sollte daher positive Bedingungen ins Zentrum einer konstanten und verlässlichen Wirtschaftspolitik rücken. Dazu zählen in der Breite weniger Bürokratie, insgesamt einfachere und gründerunterstützende Prozesse sowie ein leichterer Zugang zur Gründungsfinanzierung.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)