Brüssel (Reuters) - Die EU-Kommission muss im Streit über ihren Umgang mit Kaufverträgen für Corona-Impfstoffe eine juristische Niederlage einstecken.

Das Gericht der Europäischen Union gab am Mittwoch einer Beschwerde von EU-Abgeordneten statt und entschied, dass die Brüsseler Behörde der Öffentlichkeit nicht ausreichend Einblick in die Vereinbarungen gewährt habe. Die EU-Kommission erklärte, sie werde das Urteil prüfen und behalte sich weitere rechtliche Schritte vor. Möglich ist ein Einspruch vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie 2020 und 2021 hatte die EU-Kommission bei der Beschaffung von Impfstoffen umfangreiche Verträge mit Pharmakonzernen geschlossen. Diese Vereinbarungen wollten EU-Abgeordnete genauer unter die Lupe nehmen. Sie erhielten aber nur eingeschränkt Zugang zu den Dokumenten, die zum Teil auch von der Kommission bearbeitet worden waren. Die Kommission begründete ihr Vorgehen damit, dass so die kommerziellen Interessen der Konzerne geschützt werden sollten.

Das Gericht in Luxemburg entschied aber nun, die EU-Kommission habe nicht nachgewiesen, dass der Zugang zu bestimmten Klauseln die kommerziellen Interessen der betroffenen Unternehmen beeinträchtigt hätte. Auch bei der Frage möglicher Interessenskonflikte im Verhandlungsteam der EU gab es Kritik des Gerichts: Hier hätte die Kommission mehr Einblick in die Erklärungen der EU-Vertreter geben müssen, in denen sie ihre Neutralität bekundeten. "Die Kommission hat nicht alle relevanten Umstände ausreichend berücksichtigt, um die in Rede stehenden Interessen angemessen abzuwägen", so das Gericht.

"WICHTIG FÜR DIE ZUKUNFT"

Die Kommission sollte nun offener sein in ihrem Entscheidungsfindungsprozess, forderte die Abgeordnete Kim van Sparrentak, eine der Klägerinnen. "Das Urteil ist wichtig für die Zukunft, weil die Kommission weitere gemeinsame Beschaffungen unternehmen wird in Bereichen wie Gesundheit und Verteidigung", sagte die niederländische Parlamentarierin, die der Fraktion der Grünen angehört. Die neue Kommission werde mit dem Urteil ihr Handeln entsprechend anpassen müssen, ergänzte sie mit Blick auf das neue Kolleg, das nach der Europawahl jetzt gebildet wird.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird sich am Donnerstag im Europäischen Parlament zur Wiederwahl für eine zweite Amtszeit stellen. Dazu benötigt die 65-jährige CDU-Politikerin mindestens 361 Stimmen der insgesamt 720 Abgeordneten. Die Fraktionen von Europäischer Volkspartei (EVP), Sozialdemokraten und Liberalen haben sich bereits auf eine Wiederwahl von der Leyens verständigt. Zusammen kommen sie auf 401 Stimmen. Unklar ist allerdings, wie viele Abweichler es bei der Abstimmung geben könnte. Zudem ist offen, wie sich die rechtsgerichtete Fraktion EKR mit der Partei der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni verhalten wird, die 78 Mandate hält.

(Bericht von Foo Yun Chee and Bart Meijer, geschrieben von Elke Ahlswede und Alexander Ratz, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)