"Ich habe noch keine überzeugenden Argumente zugunsten einer Umwandlung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) in einen europäischen Währungsfonds gehört", sagte Notenbank-Vizepräsident Vitor Constancio der italienischen Zeitung "La Repubblica" (Mittwochausgabe). Der Rettungsschirm habe seine Aufgaben, und diese erledige er gut. Führende französische und deutsche Ökonomen sehen das allerdings anders. Sie machen erheblichen Reformbedarf aus.

In ihren jüngsten Sondierungen für Koalitionsverhandlungen hatten sich die Spitzen von CDU, CSU und SPD darauf verständigt, dass der ESM in einen europäischen Währungsfonds umgewandelt werden und unter parlamentarischer Kontrolle stehen soll. Zudem soll er im EU-Recht festgeschrieben werden. Ein Umbau des ESM, der aktuell die Milliarden-Hilfskredite an Griechenland vergibt, wird in manchen europäischen Ländern aber mit Argwohn gesehen. Dort wird unter anderem befürchtet, dass sich künftig die Vergabedingungen für Hilfskredite verschärfen könnten.

Constancio möchte den ESM in seiner jetzigen Struktur beibehalten. Alle Länder, die an Reformauflagen geknüpfte Hilfsgelder erhalten hätten, würden nun wieder Wachstum aufweisen. "Wenn es Verbesserungen gegeben hat, warum die Rolle des ESM ändern?"

ÖKONOMEN FÜR RECHENSCHAFTSPFLICHT GEGENÜBER EU-PARLAMENT

Den Euro-Rettungsschirm wie bisher zu belassen, kommt für 14 Volkswirte aus Deutschland und Frankreich um DIW-Präsident Marcel Fratzscher und Ifo-Chef Clemens Fuest dagegen nicht in Frage. "Die Politik und die Entscheidungsprozeduren des ESM müssen sicherstellen, dass Länder mit dauerhaft nicht tragbarer Verschuldung keine Rettungskredite erhalten." Sie fordern überdies eine bessere Überwachung der Wirtschaftspolitik in den Ländern der Währungsunion. Bei der Vergabe von Hilfskrediten sollen angemessene Kontrollstrukturen in einem reformierten ESM geschaffen werden.

Die Ökonomen fordern auch eine politische Rechenschaftspflicht für den ESM. Ihr Vorschlag: Der Rettungsschirm-Direktor solle gegenüber einem Ausschuss des EU-Parlaments die Hilfsprogramme begründen. "Da geht es nicht darum, dass das Europäische Parlament irgendetwas zu entscheiden hätte", sagte Ifo-Chef Fuest. Aber eine stärkere Erklärung der Programme würde helfen. Die finanzielle Kontrolle soll nach den Vorstellungen der Ökonomen weiterhin bei den ESM-Anteilseignern liegen.

Diese Ideen seien schon weit diskutiert worden, darunter im Elysee, im Kanzleramt, mit der Europäischen Kommission und auch mit italienischen Vertretern, so DIW-Chef Fratzscher. Zu der Wissenschaftler-Gruppe gehören auch die Ökonomen Henrik Enderlein und Jean Pisani-Ferry von der Hertie School of Governance. Sie hatten Ende 2014 im Auftrag der deutschen und der französischen Regierung Vorschläge zur Stärkung des Wirtschafswachstums erarbeitet.