Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) wird bei der Wiederanlage der Tilgungsbeträge fällig gewordener Unternehmensanleihen ab Oktober Klimaaspekte berücksichtigen und die Anleihen von Unternehmen mit einem großen CO2-Fußabdruck schrittweise verringern. Allerdings sollen selbst Anleihen von Mineralölkonzernen nicht vollkommen aus dem Portfolio ausgeschlossen werden, um diesen Unternehmen Anreize für ein klimafreundlicheres Verhalten zu geben.

Die EZB will außerdem "vor Ende 2024" das Ausmaß an "braunen" Unternehmensanleihen begrenzen, die einzelne Banken als Repo-Sicherheiten beim Eurosystem einreichen können. Voraussetzung ist, dass die notwendigen technischen Voraussetzungen erfüllt sind. Ab 2026 schließlich wird die EZB nur noch Papiere als Repo-Sicherheiten akzeptieren, die die Anforderungen der Nachhaltigkeitsrichtlinie CSRD erfüllen.


   1. Veränderung des Unternehmensanleiheportolios 

"Wir haben ein Unternehmensanleiheportfolio von 350 Milliarden Euro, 10 Prozent davon werden jährlich fällig, das ergibt Reinvestitionen von etwa 30 Milliarden Euro", sagte EZB-Direktorin Isabel Schnabel in einer Pressekonferenz. Die EZB verabschiede sich damit schrittweise vom Prinzip der Marktneutralität. "Marktneutralität steht nicht im Vertrag - was da drin steht ist, dass wir eine Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb und effizienter Ressourcenallokation unterstützen sollen", sagte EZB-Direktor Frank Elderson.

Schnabel zufolge werden die Reinvestitionsentscheidungen geldpolitisch neutral sein. "Erwägungen hinsichtlich des Klimawandels dürfen nicht den geldpolitischen Erfordernissen im Weg stehen", sagte sie.

Schnabel machte aber auch deutlich, dass kein Unternehmen völlig aus dem Portfolio des Eurosystems ausgeschlossen werden solle, auch nicht Mineralölkonzerne. "Die Unternehmen, die heute am wenigsten grün sind, müssen die größten Anpassungsleistungen erbringen, und wir wollen allen Unternehmen einen Anreiz geben, grüner zu werden", sagte die EZB-Direktorin. Dieser Plan soll ab Oktober umgesetzt werden.


   2. Rahmen für Repo-Sicherheiten 

Bei der Auswahl von Repo-Sicherheiten will die EZB spätestens Ende 2024 ebenfalls auf klimafreundlichere Papiere setzen - aber nur, dann wenn die notwendigen technischen Voraussetzungen erfüllt sind. Ziel ist es, die eigenen Bilanzrisiken zu verringern. Laut Schnabel wird die EZB dabei sowohl auf die Vergangenheit eines Emittenten achten (aktuelle CO2-Emissionen) als auch auf seine Zukunft (Pläne zu Co2-Reduktion) und auf die Art, wie er seine Klimarisiken veröffentlicht. Die EZB wolle sich dabei zunächst an öffentlich verfügbaren Datenquellen orientieren.

Schnabel sagte: "Das ist nur ein erster Schritt - wir müssen irgendwo anfangen und beginnen mit den marktgängigen Papiere von Unternehmen. Es gibt aber auch andere Assets, und wir planen diese Maßnahmen später auf Bankanleihen und Kreditforderungen auszudehnen."


   3. Veröffentlichungspflichten bezüglich Klimarisiken 

Die EZB will nur noch von solchen Emittenten marktgängige Papiere oder Kreditforderungen akzeptieren, die die Anforderungen der Nachhaltigkeitsrichtlinie CSRD erfüllen. Weil sich die Einführung dieses Regelwerks verzögert, soll dieser Vorbehalt erst ab 2026 gelten.


   4. Risiko-Management 

Die EZB will ihre Fähigkeit zur Abschätzung von Klimarisiken verbessern und dazu Ratingagenturen auffordern, transparenter darzustellen, wie sie Klimarisiken bei der Beurteilung der Kreditwürdigkeit berücksichtigen. Außerdem hat sich die EZB mit den nationalen Zentralbanken auf eine Reihe von Mindestanforderungen dazu verständigt, wie diese die Klimarisiken bei ihren internen Ratings berücksichtigen müssen.

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July 04, 2022 05:16 ET (09:16 GMT)