FRANKFURT/WIEN (awp international) - In der Europäischen Zentralbank (EZB) sind innerhalb kurzer Zeit mehrere Stimmen laut geworden, die sich tendenziell besorgt über den jüngsten Höhenflug des Euro zeigen. Nachdem der Kurs der Gemeinschaftswährung den höchsten Stand seit drei Jahren erreicht hatte, sagte EZB-Vizepräsident Vitor Constancio der italienischen Zeitung "La Repubblica" (Mittwochausgabe): "Plötzliche Kursbewegungen bereiten mir Sorgen, soweit sie keine Änderung der fundamentalen Lage widerspiegeln."

Ebenfalls am Mittwoch sagte EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny vor Journalisten am Rande einer Veranstaltung in Wien, dass der Kursanstieg des Euro "nicht hilfreich" sei. Der Gouverneur der Notenbank von Österreich versicherte zwar, dass die EZB kein Wechselkursziel verfolge und bekräftigte damit eine der Grundregeln der EZB. Allerdings sollten die Folgen des Wechselkurses für die konjunkturelle Entwicklung im Auge behalten werden.

Ausserdem wies Nowotny darauf hin, dass die Wechselkurse immer gewissen Schwankungen unterworfen seien. Seiner Einschätzung nach müsse der jüngste Höhenflug nicht unbedingt eine langfristige Entwicklung einleiten.

Deutlicher wurde Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau. Das EZB-Ratsmitglied sagte der "Börsen-Zeitung" (Mittwochausgabe): "Die jüngste Entwicklung des Wechselkurses ist eine Quelle der Unsicherheit, die es wegen ihrer möglichen dämpfenden Effekte auf die Importpreise zu beobachten gilt."

Villeroy de Galhau sieht in der Aufwertung der Gemeinschaftswährung ein mögliches Risiko für den Anstieg der Inflation im Währungsraum. Die EZB sei zwar zunehmend zuversichtlich, dass sich die Inflation in die richtige Richtung bewege. Die Frage sei aber, wie lange es dauere, bis der Zielwert von knapp zwei Prozent erreicht sei. In diesem Punkt sei der Wechselkurs ein Faktor und zu beobachten, sagte der Franzose. Ein starker Euro verbilligt Importe und drückt damit auf die Teuerung.

In der Nacht zum Mittwoch war der Kurs des Euro bis auf 1,2323 US-Dollar gestiegen und damit auf den höchsten Stand seit Ende 2014. Zum Teil geht diese Entwicklung auf einen durchweg schwächeren Dollar zurück. Zum Teil sind dafür aber auch Spekulationen auf eine weniger lockere Geldpolitik durch die EZB ausschlaggebend. So hatte das Protokoll der jüngsten Zinssitzung der EZB Hinweise auf eine rasche Änderung der geldpolitischen Kommunikation geliefert. Dies war am Markt als Signal für eine möglicherweise schnellere Zinserhöhung als bisher gedacht gedeutet worden und hatte dem Euro neuen Auftrieb verliehen.

Zum Thema Geldpolitik sagte Constancio, der EZB-Rat sehe zwar die Notwendigkeit, seine Kommunikation graduell anzupassen, soweit die Wirtschaft weiter wachse und die Inflation steige. Das bedeute aber nicht, dass derartige Änderungen unmittelbar bevorstünden. Damit ist eine Änderung der geldpolitischen Kommunikation, mit der die EZB die Finanzmärkte auf geldpolitische Kurswechsel vorbereitet, bereits auf der nächsten EZB-Zinssitzung Ende Januar unwahrscheinlicher geworden.

Zuletzt stoppte die Gemeinschaftswährung ihren Höhenflug. Im Mittagshandel wurde der Euro wieder ein Stück weiter tiefer bei 1,2235 Euro gehandelt.

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