Dax und EuroStoxx50 notierten am Donnerstagabend jeweils knapp im Minus bei 13.211,96 und 3736,67 Punkten, lagen damit aber immer noch etwa 25 Prozent über dem Niveau vom Jahresbeginn. "Der bessere Teil der Tapferkeit ist Vorsicht", zitierte Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com, aus dem Shakespeare-Drama "Heinrich IV.". Da frische Impulse fehlten, machten Anleger Kasse und konzentrierten sich auf 2020.

An der Wall Street ging die Rekordjagd dagegen ungeachtet des Amtsenthebungsverfahrens gegen US-Präsident Donald Trump weiter, wenn auch mit gebremstem Schaum. Der US-Standardwerteindex Dow Jones stieg um 0,5 Prozent und notierte mit 28.381,48 Zählern so hoch wie noch nie. Das Ergebnis der Abstimmung im von den Demokraten dominierten Repräsentantenhaus sei keine Überraschung, sagte Anlagestratege Fritz Louw von der Bank Mitsubishi UFJ. So lange der Senat mit seiner republikanischen Mehrheit nicht ebenfalls für das sogenannte Impeachment stimme, sei keine Kursreaktion zu erwarten.

Unterstützung erhielten die Bösenkurse von einem TV-Interview des US-Finanzministers Steven Mnuchin. Nach seinen Aussagen ist das Handelsabkommen mit China schriftlich fixiert und wird Anfang Januar unterzeichnet.

GESPENST EINES "NO DEAL"-BREXIT KEHRT ZURÜCK

Kopfzerbrechen bereitete Börsianern der Brexit-Kurs des britischen Premierministers Boris Johnson, der eine Verlängerung der Frist für den Abschluss eines Freihandelsabkommens mit der EU per Gesetz ausschließen will. Sofern Johnson nicht einlenke und der Wirtschaft Planbarkeit liefere, drohe eine Rezession, warnte Anlagestratege Oliver Harvey von der Deutschen Bank. "Unglücklicherweise erscheint ein Abschwung nun wahrscheinlich." Die Experten der Banken BMO, JPMorgan und Nordea taxieren das Risiko eines harten Brexit zum Jahresende 2020, der die Einführung von Zöllen beinhaltet, auf bis zu 35 Prozent.

Vor diesem Hintergrund hielt die Bank von England (BoE) wie erwartet die Füße still. "Wir gehen davon aus, dass die Brexit-Unsicherheit anhalten und sich die Wirtschaft nicht erholen wird", schreiben die Analysten der Bank Unicredit. "Dies wird die Notenbank dazu zwingen, den Leitzins in den ersten drei Quartalen 2020 um jeweils 25 Basispunkte zu senken." Aktuell liegt der Schlüsselsatz in England bei 0,75 Prozent. Das Pfund Sterling verbilligte sich bis zum Abend um 0,3 Prozent auf 1,3037 Dollar.

SCHWEDENS ZENTRALBANK BEENDET NULLZINSPOLITIK

Die schwedische Riksbank verabschiedete sich von ihrer negativen Zinspolitik und hob den Schlüsselsatz auf null von minus 0,25 Prozent an. "Nach Auffassung der Märkte ist das etwas, das auch die Europäische Zentralbank (EZB) tun sollte", sagte Anlagestratege Peter McCallum von der Investmentbank Mizhuo. In der Euro-Zone liegt der Zins für Einlagen bei der Notenbank bei minus 0,5 Prozent. Spekulationen auf eine straffere EZB-Geldpolitik lösten Verkäufe europäischer Staatsanleihen aus. Dies trieb die Rendite der zehnjährigen französischen Bonds auf ein Sechs-Monats-Hoch von 0,091 Prozent. Gleiches galt für ihre deutschen Pendants, die bei minus 0,208 Prozent rentierten.

Am deutschen Aktienmarkt stand erneut Wirecard im Rampenlicht. Die negative Berichterstattung über den Zahlungsabwickler reiße nicht ab, sagte ein Händler. Die "Financial Times" warf in einem Bericht Fragen zu einer Übernahme in Indien im Jahr 2015 auf. Auch die "Süddeutsche Zeitung" widmete dem Unternehmen einen ganzseitigen Bericht. Wirecard-Aktien verloren 1,2 Prozent.