Europäische Kommission

Pressemitteilung

Brüssel, 29. Januar 2014

Kartellrecht: Kommission verhängt in Kartellvergleichsverfahren Geldbußen in Höhe von 114 Mio. EUR gegen Hersteller von Schaumstoff für Matratzen, Sofas und Autositze

Die Europäische Kommission hat festgestellt, dass die vier großen Polyurethanweichschaum-Hersteller Vita, Carpenter, Recticel und Eurofoam an einem Kartell beteiligt waren, und verhängt Geldbußen in Höhe von insgesamt 114 077 000 EUR gegen sie. Polyurethanweichschaum wird vor allem in Möbeln wie Matratzen und Sofas verwendet. Anwendungen in der Automobilindustrie - insbesondere für Autositze - machen etwa ein Viertel des gesamten Marktes für Polyurethanweichschaum aus.

Die Unternehmen trafen in einem Zeitraum von knapp fünf Jahren - von Oktober 2005 bis Juli 2010 - Absprachen, um die Verkaufspreise verschiedener Arten von Schaumstoff in 10 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Belgien, Deutschland, Estland, Frankreich, Ungarn, Niederlande, Österreich, Polen, Rumänien und Vereinigtes Königreich) zu koordinieren. Vita wurde die Geldbuße im Einklang mit der Kronzeugenregelung der Kommission aus dem Jahr 2006 erlassen, da das Unternehmen die Kommission von dem Kartell in Kenntnis gesetzt hatte. Eurofoam (ein Joint Venture von Recticel und Greiner Holding AG), Recticel und Greiner erhielten verminderte Geldbußen, da sie die Nachforschungen der Kommission im Rahmen der Kronzeugenregelung unterstützten. Da alle Unternehmen der Anwendung des Vergleichsverfahrens der Kommission zustimmten, erhielten sie eine weitere Gelbußenermäßigung um 10 %.

Der für Wettbewerbspolitik zuständige Kommissionsvizepräsident Joaquín Almunia erklärte dazu: "Kartelle schädigen unsere gesamte Wirtschaft und dürfen nicht toleriert werden. Dieser Fall zeigt, wie wichtig es ist, solche rechtswidrigen Praktiken zu bekämpfen und zu sanktionieren: Das von dem Kartell betroffene Produkt ist sowohl ein grundlegender Bestandteil der von allen Bürgern gekauften Möbel wie Matratzen und Sofas als auch ein wichtiges Vorprodukt für bestimmte Wirtschaftszweige wie die Automobilbranche."

Das Kartell bezweckte, die gestiegenen Kosten der Ausgangsstoffe für Massenchemikalien an die Kunden weiterzugeben und einen aggressiven Preiswettbewerb zwischen den vier Herstellern zu vermeiden. Um dies zu erreichen, veranstalteten die Kartellmitglieder Preiskoordinationssitzungen auf allen europäischen Management-Ebenen. Die Kartellteilnehmer trafen sich am Rande von Sitzungen europäischer und nationaler Verbände, und es kam zu zahlreichen Telefonaten und anderen bilateralen Kontakten. Das Kartell bestand fast fünf Jahre lang (von Oktober 2005 bis Juli 2010).

Geldbußen

Die insgesamt verhängten Geldbußen verteilen sich wie folgt:

Ermäßigung nach der Kronzeugenregelung

Ermäßigung nach der Mitteilung über Vergleichsverfahren

Geldbuße (in EUR)

Vita

100 %

10 %

0

Carpenter

10 %

75 009 000

Recticel (für seine eigene Beteiligung)

50 %

10 %

7 442 000

- Eurofoam, Recticel und Greiner

- Greiner und Recticel

- Recticel

50 %

10 %

14 819 000

9 364 000

7 443 000

Insgesamt

114 077 000

Dies bedeutet, dass Eurofoam insgesamt für bis zu 14 819 000 EUR, Greiner für bis zu 24 183 000 EUR und Recticel (sowohl für seine eigene Beteiligung als auch für die von Eurofoam) für bis zu   39 068 000 EUR haftbar ist.

Die Geldbußen wurden nach den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen aus dem Jahr 2006 (siehe IP/06/857 und MEMO/06/256 ) festgesetzt.

Bei der Festsetzung der Geldbußen trug die Kommission den Absatzzahlen der beteiligten Unternehmen für die entsprechenden Produkte in den betroffenen Mitgliedstaaten, der besonderen Schwere des Verstoßes, der geografischen Reichweite des Kartells sowie seiner Dauer Rechnung.

Vita wurde die Geldbuße aufgrund der Aufdeckung des Kartells vollständig erlassen. Andernfalls wäre das Unternehmen für seine Beteiligung an der Zuwiderhandlung mit einer Geldbuße von 61.7 Mio. EUR belegt worden.

Recticel, Eurofoam und Greiner erhielten für Ihre Zusammenarbeit mit der Kommission auf der Grundlage der Kronzeugenregelung von 2006 eine Ermäßigung von 50 %. Wie hoch die Ermäßigung ausfällt, richtet sich danach, wann die Unternehmen ihre Zusammenarbeit angeboten und inwiefern die von ihnen vorgelegten Beweismittel zum Nachweis des Kartells beigetragen haben.

Im Einklang mit ihrer Mitteilung über die Durchführung von Vergleichsverfahren von 2008 minderte die Kommission die Geldbußen aller beteiligten Unternehmen um 10 %, da diese ihre Beteiligung am Kartell einräumten und die entsprechende Verantwortung übernahmen.

Carpenter wurde aufgrund der unmittelbaren Beteiligung seiner europäischen Tochtergesellschaften zur Verantwortung gezogen, während Carpenter Co nur für seine Beteiligung als Muttergesellschaft haftbar gemacht wurde.

Hintergrund

Polyurethanweichschaum kann unterteilt werden in Komfortschaumstoffe (für Polstermöbel und Matratzen) und technische Schaumstoffe (für die Anwendung in der Automobilindustrie und in anderen Industriezweigen). Das Kartell betraf Komfortschaumstoffe und andere bestimmte Arten von Weichschaum.

Die Ermittlungen der Kommission begannen mit unangemeldeten Nachprüfungen im Juli 2010 (siehe MEMO/10/359 ).

Sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind, werden weitere Informationen zu diesem Kartellfall unter der Nummer 39801 im öffentlich zugänglichen Register der Kommission auf der Website der Generaldirektion Wettbewerb veröffentlicht. Weitere Informationen über die Maßnahmen der Kommission gegen Kartelle finden sich auf ihrer Website unter der Rubrik "Cartels" .

Das Vergleichsverfahren

Der heutige Beschluss ist der zehnte Vergleichsbeschluss seit der Einführung der Vergleichsverfahren für Kartelle im Juni 2008 (siehe IP/08/1056 und MEMO/08/458 ). Bei einem Vergleichsverfahren räumen Unternehmen, die an einem Kartell beteiligt waren, die Teilnahme an der Zuwiderhandlung ein und übernehmen die entsprechende Verantwortung. Das Vergleichsverfahren stützt sich auf die Kartellverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates) und gestattet der Kommission den Rückgriff auf ein vereinfachtes Verfahren und folglich eine Verkürzung der Zeit für Nachprüfungen. Die Vorteile eines Vergleichs liegen klar auf der Hand: Die Verbraucher und Steuerzahler haben geringere Kosten zu tragen, in der Kartellrechtsdurchsetzung werden Ressourcen für die Bearbeitung anderer Fälle frei, die Unternehmen können schneller mit einem Beschluss rechnen und Geldbußenermäßigungen von 10 % in Anspruch nehmen.

Zuvor hatte die Kommission Vergleiche mit Teilnehmern an Kartellen in den Bereichen DRAMs (siehe IP/10/586 ), Futterphosphate (siehe IP/10/985 ), Waschpulver (siehe IP/11/473 ), Glas für Kathodenstrahlröhren (siehe IP/11/1214 ), Kühlkompressoren (siehe IP/11/1511 ), Water-Management-Produkte (siehe IP/12/704 ), Kabelbäume ( siehe IP/13/673 ) sowie Euro- und Yen-Zinsderivate (IP/13/1208 ) erzielt.

Schadensersatzklagen

Alle Personen und Unternehmen, die von dem beschriebenen wettbewerbswidrigen Verhalten betroffen sind, können vor den Gerichten der Mitgliedstaaten auf Schadensersatz klagen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs und der Kartellverordnung sind Kommissionsbeschlüsse ein bindender Nachweis dafür, dass das Verhalten stattgefunden hat und rechtswidrig war. Selbst wenn die Kommission gegen die betreffenden Unternehmen Geldbußen verhängt hat, kann Schadensersatz gewährt werden. Die von der Kommission verhängte Geldbuße wird dabei nicht mindernd angerechnet.

Im Juni 2013 hat die Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie erlassen, um Opfern wettbewerbswidriger Praktiken die Erlangung von Schadensersatz zu erleichtern (vgl. IP/13/525 und MEMO/13/531 ). Weitere Informationen zu Schadensersatzklagen sowie einen praktischen Leitfaden zur Quantifizierung des Schadens aufgrund von Kartellrechtsverstößen, die öffentliche Konsultation und eine Bürgerinfo finden Sie unter:

http://ec.europa.eu/competition/antitrust/actionsdamages/documents.html

Marisa Gonzalez Iglesias (+32 229-51925)


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