Bern (awp/sda) - Die ausserordentliche Staatsanwältin des Bundes nimmt eine Strafanzeige des ehemaligen deutschen Fussballfunktionärs Theo Zwanziger nicht an die Hand. Die gegen den stellvertretenden Bundesanwalt Ruedi Montanari vorgebrachten Straftatbestände seien nicht erfüllt, begründete sie den Entscheid.

Zwanziger, der ehemalige Präsident des Deutschen Fussball-Bundes (DFB), hatte Montanari Amtsmissbrauch und Begünstigung vorgeworfen, wie die von der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) eingesetzte Staatsanwältin Jessica Rohrer-Walter am Donnerstag mitteilte.

Die Anschuldigungen erhob Zwanziger im Zusammenhang mit dem ersten Fifa-Prozess vor Bundesstrafgericht in Bellinzona, dem sogenannten "Sommermärchen-Prozess". Dabei ging es um Zahlungen im Vorfeld der Fussball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland.

An Verjährung gescheitert

Im "Sommermärchen-Prozess" waren Zwanziger, der ehemalige DFB-Generalsekretär Horst Rudolf Schmidt und der einstige Generalsekretär des Weltfussballverbands Fifa, Urs Linsi, des Betrugs angeklagt. Der vormalige DFB-Präsident Wolfgang Niersbach musste sich wegen Gehilfenschaft verantworten.

Die Hauptverhandlung in Bellinzona hätte eigentlich am 9. März 2020 beginnen sollen. Die Angeklagten blieben dem Termin fern, das Bundesstrafgericht verschob den Prozessauftakt auf den 11. März.

Zu diesem Termin erschienen Niersbach und Linsi. Zwanziger und Schmidt blieben der Verhandlung fern. Nach zähem Verlauf sistierte das Bundesstrafgericht die Hauptverhandlung schliesslich am 18. März 2020 bis zum 27. April, also bis zum Ablauf der Verjährungsfrist. Das Verfahren wurde eingestellt, die Bundesanwaltschaft erlebte mit ihrem 2015 aufgenommenen Ermittlungen ein Fiasko.

Diverse Hindernisse

Eine Fortsetzung ohne Zwanziger und Schmidt war aus Gründen des rechtlichen Gehörs und teils diffuser Beweislage nicht durchführbar. Wegen der im Verlauf der Covid-19-Pandemie verfügten Reisebeschränkungen und Veranstaltungsverbote konnten die Angeklagten nicht anreisen.

Als weitere Hürde im Verfahren kamen Feststellungen der AB-BA im Disziplinarverfahren gegen den damaligen Bundesanwalt Michael Lauber hinzu. Die Feststellungen der AB-BA enthielten Hinweise, die zu einem Verwertungsverbot der gesammelten Beweismittel hätten führen können. Lauber musste im Zuge des gesamten Fifa-Komplexes mit seinen zwei Prozessen schliesslich den Hut nehmen.

Dubioses Darlehen

In den Fall involviert war ursprünglich auch Franz Beckenbauer, der OK-Chef der Fussball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Die Bundesanwaltschaft spaltete das Verfahren gegen Beckenbauer aber wegen dessen Gesundheitszustand ab.

Die DFB-Funktionäre waren im OK-Präsidium der Fussball-WM 2006 in Deutschland. Gemäss Anklageschrift der Bundesanwaltschaft sollen sie mit Hilfe von Linsi ein von Beckenbauer privat aufgenommenes Darlehen beim damaligen Verwaltungsratschef von Adidas, Robert Louis-Dreyfus, mit Geldern des DFB über ein Konto der Fifa beglichen haben.

Mit der aufgenommenen Summe von 10 Millionen Franken wurde Mohammed Bin Hammam, damals Mitglied der Fifa-Finanzkommission, überzeugt, dass dem DFB für die Organisation der Weltmeisterschaft 2006 ein Zuschuss von 250 Millionen Franken gewährt wird.

Beckenbauer wollte das Darlehen und die aufgelaufenen Zinsen nicht aus der eigenen Tasche bezahlen. Um die notwendige Einwilligung der Präsidialkommission für die umgerechnet 6,7 Millionen Euro zu erhalten, kaschierte das OK-Präsidium die Zahlung.

Zwanziger und Schmidt gaben gemäss der Bundesanwaltschaft vor, das Geld werde aus dem Kulturbudget der WM genommen und der Fifa für die Organisation einer Fussball-Gala bezahlt.

Entschädigungen angefochten

Die vier Angeklagten erhielten im Mai 2021 von der Strafkammer des Bundesstrafgerichts insgesamt rund eine Million Franken für die Kosten ihrer Verteidigung zugesprochen. Zudem sprach ihnen die Kammer eine Genugtuung von je 15'000 Franken zu. Das focht die Bundesanwaltschaft bei der Beschwerdekammer erfolgreich an.

Der zweite Fifa-Prozess richtete sich gegen den ehemaligen Fifa-Präsidenten Joseph Blatter und den Ex-Uefa-Chef Michel Platini. Sie mussten sich in Bellinzona wegen Betrugsvorwürfen verantworten. Gegen den Freispruch der beiden legte die Bundesanwaltschaft jüngst Beschwere ein.

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