Von Julia-Ambra Verlaine

NEW YORK (Dow Jones)--Die Währungsvolatilität ist wieder da. Ein Index von JP Morgan, der die Schwankungen der an die Länder der G7 gebundenen Währungen misst, ist in diesem Jahr um bis zu 80 Prozent geklettert. Und ein Maß für die Volatilität des Euro hat sich seit November mehr als verdoppelt und ist vor allem im März stark nach oben gesprungen. Die Volatilitätsindikatoren für Devisen zünden den Turbo, wenn eine Währung schnell an Wert verliert.

Die Kursschwankungen sind ein weiteres Anzeichen dafür, dass die anhaltende Inflation und die weltweiten Schocks in der Lieferkette die Finanzmärkte im Jahr 2022 in Mitleidenschaft gezogen haben. Steigende Zinssätze, der Einmarsch Russlands in der Ukraine und die Konjunkturabschwächung in China haben die normalerweise ruhige Devisenwelt durcheinandergebracht.

Der US-Dollar ist rasant gestiegen, und der WSJ-Dollar-Index, der den Dollar im Vergleich zu einem Währungskorb misst, hat über die vergangenen 12 Monate um mehr als 12,5 Prozent zugelegt. Zugleich hat der Euro gegenüber dem Dollar um fast 14 nachgegeben und das britische Pfund im gleichen Zeitraum rund 12 Prozent verloren.

Investments auf Währungen waren früher ein beliebtes Geschäft bei Hedge-Fonds. Doch nach der Finanzkrise von 2008 wurde es auf den Devisenmärkten ruhig, was die Händler der Volatilität beraubte, die sie brauchen, um große Gewinne zu erzielen.

Laut Jeff Yarmouth von der UBS sind die starken täglichen Schwankungen des Dollar und der rasche Rückgang der Aktienkurse die Ursache für den starken Anstieg der Währungsvolatilität.

Auch die Anleihemärkte, die in der Regel ein Zufluchtsort sind, wenn die Aktienkurse einbrechen, haben sich turbulent entwickelt. Die Rendite der zehnjährigen Benchmark-US-Staatsanleihe legte im Mai auf mehr als 3 Prozent zu und im bisherigen Jahresverlauf um 1,473 Prozentpunkte. Der Grund: Die US-Notenbank Fed hat die Zinssätze in diesem Jahr bereits zweimal hochgenommen, um die Inflation einzudämmen, was die Kreditkosten für alles, von Autokrediten bis zu Hypotheken, in die Höhe treibt.

"Sehen Sie sich an, wie schnell die Hypothekenzinsen gestiegen sind. Irgendwann musste die Volatilität an den Devisenmärkten aufholen", sagt Mazen Issa, Devisenstratege bei TD Securities.


   Fed gilt als Falke unter den Notenbanken 

Die Anleger haben sich in der Regel auf das Wirtschaftswachstum konzentriert, bevor sie Vermögenswerte kaufen oder verkaufen. Einige ihrer Investments laufen jetzt auf Wetten hinaus, welche Zentralbanken die Kreditbedingungen wie stark verschärfen werden. Anleger investieren vielfach in den Dollar, da sie meinen, dass die Zentralbanken anderer Länder weniger energisch bei der Inflationsbekämpfung agieren.

Der Dollar fungiert als Weltreservewährung und spielt eine Schlüsselrolle in der Weltwirtschaft. Ein starker Dollar ermöglicht es den US-Amerikanern, Waren aus anderen Ländern zu niedrigeren Preisen zu kaufen, aber er kann auch US-Unternehmen schaden, indem er ihre Dienstleistungen oder Produkte für Ausländer teurer macht. Außerdem kann er indirekt die Inflation in die Schwellenländer exportieren, indem er die Stärke der dortigen Währungen abbremst.

Nach Angaben der CME Group war das Open Interest an Devisenoptionen Ende April um 73,9 Prozent höher als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Dieser vielbeachtete Indikator für das Wachstum des Handelsvolumens gibt die Anzahl der gekauften oder verkauften Kontrakte an, die über Nacht "offen" bleiben, ohne dass es zu Gegengeschäften kommt.

CME-Sprecher Chris Grams erläutert, dass der Inflationsdruck und die anhaltenden geopolitischen Spannungen zu einer erhöhten Handelsaktivität bei Devisenfutures und Optionen beigetragen haben. Allein das durchschnittliche Tagesvolumen der Optionskontrakte auf den japanischen Yen stieg im April um fast 200 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.


   Bank of England zeigt sich als weich bei Zinserhöhungen 

Einige Hedge-Fonds haben das britische Pfund verkauft, da die Bank of England angedeutet hat, dass sie die Zinssätze in den kommenden Monaten möglicherweise nicht anheben wird. Das kontrastiert mit Aussagen von Fed-Vertretern, die sich weitgehend einig sind, dass im Juni und Juli weitere Zinserhöhungen um einen halben Punkt auf dem Tisch liegen.

Zach Pandl von Goldman Sachs sagt, die Politik der Bank of England unterscheide sich stark von der anderer Notenbanken und werde das Pfund wahrscheinlich weiter fallen lassen. "Andere Zentralbanken reagieren jetzt energischer auf die veränderten Inflationsaussichten", so Pandl.

Unterdessen spekulieren einige der weltweit größten Vermögensverwalter gegen den Euro, da sie erwarten, dass er weiter fallen wird. Sie führen ein schwaches Wachstum, steigende Verbraucherpreise und eine mögliche Energiekrise in der EU an, die ein Verbot von Ölimporten aus Russland umsetzen will. Der Kauf von Put-Optionen - mit denen der Besitzer zu einem vereinbarten Preis verkaufen kann - ist heute fast doppelt so teuer wie noch vor sechs Monaten.

"Ich bin mir nicht sicher, wie Europa zu den USA aufschließen soll, wenn es alle paar Jahre solche Schocks erlebt", argumentiert Thanos Bardas von Neuberger Berman, und bezog sich dabei auf die 2010 ausgebrochene Staatsschuldenkrise des Währungsraums. Bardas hat Bestände aufgebaut, die von einem Anstieg des Dollar gegenüber dem Euro und dem japanischen Yen profitieren werden.

Der anhaltende Konflikt zwischen Russland und der Ukraine hat dazu geführt, dass die Banken mehr für an den Euro gebundene Derivate verlangen. Das liegt daran, dass die Banken die Preise für Währungsderivate direkt auf der Grundlage der so genannten impliziten Volatilität berechnen, das heißt wie stark sich eine Währung innerhalb eines Monats oder anderer Zeiträume bewegt.

Anleger kaufen auch Optionen, die an den japanischen Yen gebunden sind. Der Yen wird in der Regel stärker, wenn die Aktienmärkte fallen, da japanische Anleger Dollar verkaufen, um US-Vermögenswerte zu aufzulösen.

Kontakt zur Autorin: maerkte.de@dowjones.com

DJG/DJN/axw/smh

(END) Dow Jones Newswires

May 19, 2022 04:49 ET (08:49 GMT)