Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Weniger Kürzungen bei Sozialleistungen für Bürgergeldempfänger, die mehr arbeiten, würde deren Beteiligung am Arbeitsmarkt erhöhen. Das ist das Ergebnis eines Reformvorschlags, den das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung und das ZEW - Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums entwickelt haben. "Diese Reform würde sogar mehr Geld in die Staatskasse bringen", sagte Andreas Peichl vom Ifo-Institut, der die Studie geleitet hat.

"Diese Reform innerhalb des Systems, wie vom Ministerium vorgegeben, würde die Erwerbstätigkeit um 136.000 Personen oder 145.000 Vollzeitstellen erhöhen. Damit könnte sich die Reform selbst finanzieren. Denn die öffentlichen Haushalte hätten am Ende rund 1,1 Milliarden Euro mehr an Steuern und Sozialabgaben", sagte Holger Stichnoth vom ZEW.

Der Vorschlag zielt laut den Instituten auf Alleinerziehende und Alleinstehende ohne Kinder sowie Paare mit drei und mehr Kindern, weil hier die Beschäftigungseffekte entständen. Bislang würden Sozialleistungen wie das Wohngeld bei Einkommen über 520 Euro monatlich bis 1.000 Euro um 80 bis 100 Prozent gekürzt. Damit sich Mehrarbeit lohne, weil vom Zuverdienst netto mehr übrigbleibe, sehe die Reform vor, die Sozialleistungen in Zukunft bis zu einer Verdienstgrenze von 2.000 Euro nur zu 70 Prozent zu kürzen. Bei Einkommen über 2.000 Euro monatlich sollen statt bisher 100 Prozent der Sozialleistungen nur noch 65 Prozent gekürzt werden.

"Wir zeigen, dass die Reform keine Bedarfsgemeinschaft schlechter stellt und - unter Berücksichtigung von Verhaltensanpassungen - auch selbstfinanzierend ist. Die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung zeigen, dass eine solche Reform auf eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen würde. Insofern dürften die Hürden bei der Umsetzung verhältnismäßig einfach zu überwinden sein", fügte Ifo-Forscher Maximilian Blömer hinzu.

Die Beschäftigungseffekte ließen sich noch weiter erhöhen, wenn die Anrechnungsrate beim Zusatzbetrag der Kindergrundsicherung von 45 Prozent auf 25 Prozent gesenkt würde, ergänzte Stichnoth. Dies würde Haushalte mit Kindern besserstellen und insgesamt zu einer Erhöhung der Erwerbstätigkeit um 157.000 Personen sowie 165.000 Vollzeitstellen führen. Diese kombinierte Reform würde die öffentlichen Haushalte nur um etwa 500 Millionen Euro entlasten. Peichl erklärte zudem, eigentlich müsste auch die derzeitige Zweiteilung aus Bürgergeld und Wohngeld in eine einheitliche Grundsicherung überführt werden. "Das würde zu einer wesentlichen Vereinfachung und damit Entlastung der Verwaltung führen. Und es hätte noch größere Beschäftigungseffekte", sagte er.

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January 02, 2024 03:20 ET (08:20 GMT)