Bern/Zürich (Reuters) - Keine Entwarnung bei der Inflation: Die Schweizerische Nationalbank (SNB) stellt nach der dritten Leitzinsanhebung in Folge weitere Erhöhungen in Aussicht.

"Die Inflation ist seit August etwas zurückgegangen", sagte SNB-Präsident Thomas Jordan am Donnerstag. "Diese Entwicklung ist zwar erfreulich; für eine Entwarnung ist es jedoch zu früh." Der zugrundeliegende Inflationsdruck habe unter anderem wegen der hohen Inflation im Ausland weiter zugenommen und es bestehe die Gefahr, dass die Teuerung in der Schweiz wegen Zweitrundeneffekten mittelfristig erhöht bleibt. "Es ist nicht auszuschließen, dass weitere Zinserhöhungen nötig sein werden, um die Preisstabilität zu gewährleisten", sagte Jordan.

Zuvor hatte die SNB den Leitzins um 0,5 Prozentpunkte auf 1,0 Prozent angehoben - das höchste Niveau seit der globalen Finanzkrise im Jahr 2008. Die Schweizer Währungshüter waren damit weniger forsch als zuletzt im September, als sie sich mit einem Rekord-Zinsschritt 0,75 Prozentpunkten von den Negativzinsen verabschiedet hatten. Mit ihrem Vorgehen und ihrer Einschätzung zur Inflation sind sie nicht alleine: Auch die US-Notenbank Fed hatte am Mittwoch ihr Zinserhöhungstempo gedrosselt, sieht sich im Kampf gegen die Inflation aber noch längst nicht am Ziel. Die Europäische Zentralbank (EZB), deren Zinsentscheidung um 14.15 Uhr erwartet wird, dürfte aus Sicht vieler Experten wohl ebenfalls auf eine weniger aggressive Gangart umschalten. Volkswirte hatten mehrheitlich einen SNB-Zinsschritt von 50 Basispunkten erwartet.

Um für angemessene monetäre Bedingungen zu sorgen, will die Notenbank zudem bei Bedarf weiter am Devisenmarkt intervenieren. Ihr wichtigstes geldpolitisches Instrument sei aber der Leitzins, sagte Jordan. Auf einen Zielszins wollte sich der SNB-Chef nicht festlegen. "Wir legen uns nicht konkret auf einen möglichen Endwert fest, wir gehen von Quartal zu Quartal den neuen Inflationsprognosen nach."

"Der Umstand, dass die Inflationsprognosen am Ende des Prognosehorizonts über zwei Prozent liegt, ist in meinen Augen ein klares Signal, dass die SNB mehr Zinserhöhungen vornehmen wird", sagte Charlotte de Montpellier, Ökonomin beim Geldhaus ING. Für Karsten Junius, Volkswirt bei J. Safra Sarasin, war die Erklärung der Zentralbank etwas aggressiver als im Markt wohl erwartet wurde. "Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass die SNB ihre Zinserhöhungen unterbrechen oder verlangsamen könnte." De Montpellier erwartet im März einen letzen Zinsschritt auf 1,50 Prozent, Junius rechnet mit einem Leitzins von zwei Prozent Mitte 2023.

Mit 3,0 Prozent im November ist die Teuerung in der Schweiz im internationalen Vergleich zwar moderat, sie liegt allerdings deutlich über dem von der Notenbank angepeilten Zielbereich von null bis zwei Prozent. Die SNB hatte zuletzt auch auf die inflationsdämpfende Wirkung eines starken Franken gesetzt. Im kommenden Jahr geht die SNB von 2,4 Prozent Teuerung aus und 2024 dann von 1,8 Prozent, rechnet Mitte 2025 allerdings wieder mit einer Rate von mehr als zwei Prozent.

Bei der Entwicklung der Konjunktur erwartet die Zentralbank im kommenden Jahr eine deutliche Wachstumsabschwächung in der Schweiz. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte noch um rund 0,5 Prozent steigen nach prognostiziert rund zwei Prozent 2022.

(Bericht von Paul Arnold, Oliver Hirt, John Revill und Michael Shields. Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)